Die Lerche fliegt im Morgengrauen
warten.«
»Kann ich zu ihr?«
»Laß sie noch eine Weile in Ruhe. Ich sage dir Bescheid.«
»Bleibst du hier?«
»Na klar. Ich schlafe zwei Stunden auf meiner Couch im
Büro. Wie bist du mit Pierre Audin verblieben?«
»Überhaupt nicht. Ich mußte mit seinem Sekretär, diesem Fournier, vorliebnehmen. Der alte Mann sitzt im Rollstuhl. Der weiß nicht einmal mehr die Tageszeit.«
Dubois seufzte. »Das hatte ich erwartet. Ich sehe dich spä ter.«
Als er hinausgegangen war, meinte Mary: »Sie könnten auch etwas Schlaf gebrauchen.«
Er brachte ein düsteres Lächeln zustande. »So wie ich mich im Augenblick fühle, glaube ich, daß ich wohl nie mehr schla fen werde. In gewisser Weise ist das alles meine Schuld.«
»Wie können Sie so etwas behaupten?«
»Ich meine, wer ich bin oder, anders ausgedrückt, was ich einmal war. Wäre das nicht gewesen, dann wäre all das hier nicht passiert.«
»So dürfen Sie nicht reden«, widersprach sie ihm. »So funk tioniert das Leben nicht.«
Das Telefon auf dem Tisch klingelte, und sie meldete sich, redete einige Sekunden lang, dann legte sie auf. »Das war Ferguson. Er wollte nur nachfragen, wie es aussieht.« Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Kommen Sie, legen Sie sich auf die Couch. Machen Sie einfach die Augen zu. Ich bleibe hier und wecke Sie, sobald es irgendeine Veränderung gibt.«
Widerstrebend ließ er sich nach hinten sinken und befolgte ihre Aufforderung und sank überraschenderweise sofort in einen dunklen, traumlosen Schlaf. Mary Tanner saß da, nach denklich, und lauschte seinen ruhigen Atemzügen.
Es war kurz nach drei, als Dubois wieder erschien. Als spürte er seine Anwesenheit, erwachte Brosnan schlagartig und richtete sich auf. »Was ist los?«
»Sie ist bei Bewußtsein.«
»Kann ich sie sehen?« Brosnan sprang auf.
»Ja, natürlich.« Während Brosnan zur Tür ging, hielt Dubois ihn am Arm zurück. »Martin, es steht nicht gut. Ich glaube, du solltest auf das Schlimmste gefaßt sein.«
»Nein.« Brosnan unterdrückte mit Mühe ein Schluchzen. »Das ist unmöglich.«
Er rannte durch den Flur, riß die Tür zu ihrem Zimmer auf und ging hinein. Eine junge Krankenschwester saß neben ihrem Bett. Anne-Marie war sehr bleich, ihr Kopf war mit Bandagen umwickelt, so daß sie aussah wie eine junge Nonne.
»Ich warte draußen, Monsieur«, sagte die Krankenschwester und ging hinaus.
Brosnan setzte sich. Er griff nach ihrer Hand, und AnneMarie schlug die Augen auf. Sie musterte ihn mit einem leeren Blick, und dann erkannte sie ihn allmählich und lächelte.
»Martin, bist du das?«
»Wer sonst?« Er küßte ihre Hand.
Hinter ihnen ging die Tür mit einem leisen Klicken auf, als Dubois hereinschaute.
»Dein Haar. Zu lang. Absolut zu lang.« Sie hob eine Hand, um es zu berühren. »In Vietnam, im Sumpf, als die Vietcong mich beschossen. Du tauchtest im Schilf auf wie ein mittelal terlicher Held. Auch damals war dein Haar viel zu lang, und du hast ein Stirnband getragen.«
Sie schloß die Augen, und Brosnan sagte: »Ruh dich aus, versuch nicht zu reden.«
»Aber ich muß.« Sie öffnete die Augen wieder. »Laß ihn laufen, Martin. Versprich es mir. Er ist es nicht wert. Ich will nicht, daß du dorthin zurückgehst, wo du früher warst.« Sie umklammerte seine Hand mit erstaunlicher Festigkeit. »Ver sprich es!«
»Ich gebe dir mein Wort«, sagte er.
Sie entspannte sich und blickte zur Decke. »Mein lieber wil
der irischer Junge. Ich habe dich immer geliebt, Martin, es gab
nie einen anderen.«
Ihre Augen schlossen sich langsam, und der Herzmonitor neben ihrem Bett veränderte seinen Ton. Augenblicklich stürmte Henri Dubois in den Raum. »Raus, Martin. Warte draußen.«
Er drängte Brosnan hinaus und schloß die Tür. Mary stand auf dem Korridor. »Martin?« fragte sie.
Er starrte sie an wie ein Gespenst, und dann ging die Tür wieder auf, und Dubois erschien. »Es tut mir so leid, mein Freund. Ich fürchte, es ist vorbei.«
Auf dem Boot war Dillon sofort hellwach, als das Telefon klingelte. »Sie ist gestorben«, meldete Makeev.
»Das ist schrecklich«, entgegnete Dillon. »Es war nicht beab sichtigt.«
»Was nun?« fragte Makeev.
»Ich denke, ich breche morgen nachmittag auf. Unter den gegebenen Umständen sicherlich das beste. Was ist mit Aroun?«
»Er erwartet uns um elf.«
»Gut. Weiß er, was passiert ist?«
»Nein.«
»Dann sollte es auch so bleiben. Ich treffe Sie kurz vor elf vor seinem Haus.«
Er
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