Die Lerche fliegt im Morgengrauen
legte den Hörer auf und verschränkte die Arme hinter dem Kopf und dachte nach. Anne-Marie Audin. Es tat ihm leid. Er hatte niemals viel dafür übrig gehabt, Frauen zu töten. Eine Informantin damals in Derry, die hatte es verdient. Aber diesmal war es ein Unfall gewesen, und es ließ den Eindruck entstehen, als stünde sein Unternehmen unter einem schlechten Stern, und das verursachte ihm Unbehagen. Er drückte seine Zigarette aus und versuchte wieder einzuschlafen.
Es war kurz nach zehn, als Mary Tanner Ferguson und Hernu in Brosnans Appartement einließ. »Wie geht es ihm?« wollte Ferguson wissen.
»Er beschäftigt sich. Anne-Maries Großvater ist selbst in keiner guten Verfassung, deshalb trifft Martin zusammen mit seinem Sekretär die notwendigen Vorbereitungen für die Beerdigung.«
»So schnell?« wunderte sich Ferguson.
»Morgen, in der Grabstätte der Familie in Vercors.«
Sie führte die Besucher herein. Brosnan stand am Fenster und blickte hinaus. Er wandte sich zu ihnen um, die Hände in den Hosentaschen, das Gesicht blaß und von Schmerz gezeichnet. »Und?« fragte er.
»Es gibt nichts zu berichten«, teilte Hernu ihm mit. »Wir haben sämtliche Häfen und Flugplätze in Alarmbereitschaft versetzt, ganz diskret natürlich.« Er zögerte. »Wir glauben, es ist das beste, mit dieser Sache nicht an die Öffentlichkeit zu gehen, Professor, ich meine den unglücklichen Unfall von Mademoiselle Audin.«
Brosnan reagierte seltsam gleichgültig. »Sie werden ihn nicht erwischen. London ist die Stadt, wo man ihn früher oder später suchen muß. Wahrscheinlich ist er bereits dorthin unterwegs, und für London brauchen Sie mich.«
»Sie meinen, Sie wollen uns helfen? Sie machen mit?« fragte Ferguson.
»Ja.«
Brosnan zündete sich eine Zigarette an, öffnete die Balkontü
ren und trat hinaus. Mary ging zu ihm hin. »Aber das dürfen Sie nicht, Sie haben es Anne-Marie versprochen.«
»Dann habe ich eben gelogen«, meinte er gelassen. »Nur um ihr den Abschied zu erleichtern. Da draußen gibt es sowieso nichts. Nur Dunkelheit.«
Sein Gesicht wirkte wie in Fels gehauen, die Augen waren stumpf. Es war das Gesicht eines Fremden. »O mein Gott«, flüsterte sie.
»Ich hole ihn mir«, sagte Brosnan. »Und wenn sein Tod das letzte ist, was ich auf Erden sehe.«
6
Es war kurz vor elf, als Makeev vor Michael Arouns Wohnung in der Victor Hugo vorfuhr. Sein Chauffeur stoppte am Bord stein, und während er den Motor abstellte, wurde die hintere Tür geöffnet und Dillon stieg ein.
»Sie sollten lieber keine Designerschuhe tragen«, sagte er. »Alles versinkt im Matsch.«
Er lächelte, und Makeev beugte sich vor, um die Trennschei be zu schließen. »Sie scheinen trotz der augenblicklichen Lage bester Laune zu sein.«
»Und warum sollte ich das nicht sein? Ich wollte nur sicher gehen, daß Sie Aroun nichts von dieser Audin erzählt haben.«
»Nein, natürlich nicht.«
»Schön.« Dillon lächelte. »Ich möchte nicht, daß irgend et
was den Ablauf des Geschehens stört. Und nun los, gehen wir rauf zu ihm.«
Rashid öffnete die Tür. Ein Dienstmädchen nahm ihnen die Mäntel ab. Aroun erwartete sie in seinem prachtvollen Salon. »Valenton, Mr. Dillon. Eine herbe Enttäuschung.«
Dillon sagte: »Nichts im Leben ist vollkommen, wie Sie wissen sollten. Ich habe Ihnen ein Ersatzziel versprochen, und ich habe die Absicht, es in Angriff zu nehmen.«
»Der englische Premierminister?« fragte Rashid.
»Genau.« Dillon nickte. »Ich mache mich noch heute auf den
Weg nach London. Ich dachte, wir sollten uns vorher noch einmal unterhalten.«
Rashid schaute zu Aroun, der erwiderte: »Natürlich, Mr. Dillon. Wie können wir Ihnen helfen?«
»Zuerst brauche ich wieder Geld für nötige Ausgaben. Drei ßigtausend Dollar. Ich möchte, daß Sie dafür sorgen, daß ich es von jemandem in London bekomme. Natürlich in bar. Oberst Makeev kann sich um die Details kümmern.«
»Kein Problem«, sagte Aroun.
»Zweitens ist da die Frage, wie ich nach erfolgreichem Ab
schluß meines Unternehmens heil aus England herauskomme.«
»Sie klingen ja sehr zuversichtlich, Mr. Dillon«, sagte Rashid zu ihm.
»Nun, man darf die Hoffnung nie verlieren, mein Sohn«, sagte Dillon. »Wie ich im Laufe der Jahre festgestellt habe, ist der wichtigste Punkt bei einem Attentat nicht so sehr die Durchführung, sondern vielmehr, wie man mit heiler Haut davonkommt. Ich meine, wenn ich den englischen Premier für Sie
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