Die letzte Eskorte: Roman
Tochter zu begegnen ...«
»Ich kam zufällig mit den Damen ins Gespräch, ja.«
»Heute Abend wurde mir bewusst, dass Sie gewiss Familienangehörige in Frankreich haben – mütterlicherseits?«
Hayden war sich nicht ganz sicher, in welche Richtung sich dieses Gespräch entwickeln würde, und stimmte daher etwas zögerlich zu.
Sir Gilbert fuhr unbeirrt fort. »Wenn Sie unter den Flüchtlingen aus Toulon irgendwelche Angehörige Ihrer Familie entdecken sollten, dann wäre es durchaus möglich, sie nach England zu schicken, in Sicherheit. Ich weiß natürlich nicht, ob sich der Name Bourdage in Ihrem Stammbaum findet, aber das würde ja ohnehin niemand wissen. Ich für meinen Teil würde diesen Aspekt bestimmt nicht hinterfragen.«
»Ich bin mir ziemlich sicher, Sir Gilbert«, antwortete Hayden so freundlich wie möglich, »dass der Name Bourdage in meinem Stammbaum nicht vorkommt, auch nicht entfernt.«
»Ah.« Auf Haydens Antwort reagierte der Gentleman eher überrascht als beleidigt. »Sollten Sie bei näherer Überlegung feststellen, dass Sie sich in diesem Punkt vielleicht doch geirrt haben – niemand hat ein perfektes Gedächtnis –, so zögern Sie nicht, sich an mich zu wenden. Ich kann mir die Freude Ihrer Verwandten kaum vorstellen, wenn sie sich in Sicherheit auf englischem Boden wiederfinden. Wenn jemand mir einen solchen Dienst erweisen würde, wäre ich diesem Menschen für immer zu Dank verpflichtet.«
Als Hayden schließlich in seinem Boot saß und über die Hyères-Bucht zur Themis gerudert wurde, merkte er, dass ihm von allen Ereignissen des Abends das Gespräch mit Sir Gilbert Elliot besonders in Erinnerung geblieben war. War Madame Bourdage – oder gar ihre schöne Tochter – die Geliebte von Sir Gilbert? Oder gab es da noch einen anderen Grund, warum der Gentleman Hayden angesprochen hatte?
Hayden fragte sich überdies, ob er in diesem Fall nicht zu viel Wert auf seine Ehre setzte. Wenn es in seiner Macht stand, zwei Flüchtlingen zu helfen, die aufgrund der britischen Niederlage aus Toulon vertrieben worden waren, sollte er diesen Menschen dann nicht seine Hilfe anbieten? Allein der Gedanke, diese beiden lieblichen Frauen könnten in die Hände der Revolutionsarmee fallen und auf dem Schafott enden, beunruhigte ihn zusehends.
Als er dann die Themis erreichte, begab er sich auf direktem Weg in seine Kajüte und legte Mantel und Kragentuch ab. Während des Dinners hatte er zu beherzt zugegriffen, und nun gestattete ihm sein empfindlicher Magen nicht, lang ausgestreckt zu liegen. Zudem hatte der Wein seinen Geist mehr als nur ein wenig benebelt, daher saß Hayden eher lustlos auf der Bank vor der Heckgalerie und lehnte sich gegen Kissen.
In die Stille an Bord drängte sich alsbald der Ruf der Wache, die ein Boot anrief, das der Themis zu nahe kam. Kurz darauf waren Schritte im Niedergang zu hören. Einer gedämpften Unterhaltung vor der Kajütentür folgte ein diskretes Klopfen.
Hayden fühlte sich in seiner Ruhe gestört, durchquerte die Kajüte und riss ein wenig verärgert die Tür auf. Zwei Seesoldaten schauten ihn erstaunt an, einer davon war sein Wachposten.
»Bitte um Entschuldigung, Sir, aber ich habe noch Licht gesehen. Zwei Frauen bitten, mit Ihnen sprechen zu dürfen, Kapitän – eine Madame Bourdage und ihre Tochter, glaube ich.«
»Zu dieser späten Stunde?«, entgegnete Hayden. »Bringen Sie die beiden herein.«
»Aye, Sir.«
Einen Moment später hielt der Seesoldat den beiden Frauen die Tür auf.
»Bitte tausendmal um Entschuldigung, Kapitän Hayden«, begann Madame Bourdage. »Man sagte mir, dass Sie in der Frühe aufbrechen.« Sie wirkte furchtbar verzweifelt, ihre Augen waren gerötet, als habe sie bis eben noch Tränen vergossen.
Hayden bot den Damen Stühle an, doch Madame Bourdage war so aufgeregt, dass sie nicht ruhig sitzen bleiben konnte und gleich wieder aufstand. Sie ergriff Hayden am Arm und umschloss dann seine Hand mit beiden Händen.
»Wir sind«, fuhr sie auf Französisch fort, »wie Sie sehen, völlig verzweifelt und in unserem Wunsch nach Überleben auf den guten Willen anderer angewiesen – auf Menschen, die unser Volk seit vielen Jahren als ihre Feinde betrachten. Ich weiß, dass Sir Gilbert mit Ihnen gesprochen und Sie um einen großen Gefallen gebeten hat. Tatsächlich hat er Sie gebeten, Ihre Ehre aufs Spiel zu setzen und etwas zu sagen, das nicht der Wahrheit entspricht – und das uns in Sicherheit bringen würde. Nie würde ich Sie
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