Die letzte Eskorte: Roman
kehrtmachen, haben die uns.«
Da an Umkehr nicht zu denken war, gab es auch keine abweichenden Meinungen.
Wickham schaute ängstlich zu Hayden hinüber, als erlaube seine französische Abstammung es ihm, als Fürsprecher der Gruppe aufzutreten.
»Was werden die mit uns machen?«, fragte der junge Mann leise.
»Die Franzosen sind kein wildes Volk. Sie werden uns nicht misshandeln.« Und obwohl Hayden von seiner Einschätzung überzeugt war, erfüllte ihn der Gedanke an eine unabsehbar lange Haft mit großer Verzweiflung. Ausgerechnet jetzt, wo er endlich einen hochrangigen Offizier gefunden hatte, der an Haydens Fähigkeiten zu glauben schien, sollte er in einem französischen Gefängnis landen?
Die Engländer schwiegen, während sich das Boot dem Strand näherte. Hayden behielt die Männer an der Küste im Auge und versuchte herauszufinden, wie sie ihnen gesinnt waren, aber die Leute gaben sich weder feindlich, noch schienen sie das Boot willkommen zu heißen. Diese Neutralität empfand Hayden als äußerst beunruhigend. Moore suchte seinen Blick und schien dasselbe zu denken.
Während sie sich dem sandigen Abschnitt näherten, kletterte Hayden an den Rudergasten vorbei zum Bug und hoffte, dass die Fremden am Ufer dies nicht als Bedrohung auffassten, aber die Männer dort reagierten ohnehin nicht darauf.
Als der Bootsrumpf über den Sand knirschte und Hayden ins knöcheltiefe Wasser stieg, riss einer der Männer seine Muskete hoch, feuerte in die Luft und rief: » Viva Paoli, la patria e la nazione inglese! « Die anderen Männer am Strand taten es ihm gleich und wiederholten die Worte, bis die Luft von beißendem Pulverdampf erfüllt war.
Hayden drehte sich zu Sir Gilbert und den anderen um, die allesamt erleichtert ausatmeten. Sir Gilbert nahm die Hand vom Dollbord und dehnte seine verkrampften Finger.
Nun kamen die Korsen näher und halfen den Seeleuten, das Boot einige Fuß weit auf den Strand zu ziehen, damit Sir Gilbert und die anderen trockenen Fußes an Land gehen konnten.
Mit einem Mal kam Leben in die zuvor mürrischen Korsen, die nun lächelten und lebhaft drauflos schwatzten. Weitere Musketenschüsse wurden abgefeuert, gefolgt von Hurrarufen in englischer Sprache. Das Gepäck der Engländer wurde an Land gebracht und von den Einwohnern geschultert, die es sich nicht nehmen lassen wollten, die Last ihrer Gäste zu tragen.
Il Signor Leonati, so erfuhren die Engländer, sei bereits auf dem Weg, um die Gäste zu empfangen.
»Wer ist Signor Leonati?«, erkundigte sich Hayden und war erfreut, dass sein Italienisch verstanden wurde. Er selbst verstand das meiste, was die Korsen sagten, sobald er den jeweiligen Sprecher bat, etwas langsamer zu sprechen.
»Der Neffe des Generals«, erklärte man ihm. »General Paoli.«
»Und wo ist der General jetzt?«, fragte Sir Gilbert, der die italienische Sprache ebenso gut wie die französische beherrschte.
»Nicht weit entfernt«, hieß es. »Gar nicht weit entfernt.«
Obwohl General Paoli tatsächlich »nicht weit entfernt war« – was in englischen Meilen gerechnet auch zutraf –, brauchte die Gruppe den Rest des Tages, den nächsten Tag und die Hälfte des dritten Tages, um zu dem Mann zu gelangen. Das schroffe, zerklüftete Gelände war erbarmungslos, und Hayden gewann den Eindruck, er bewege sich auf einer kargen, staubigen Insel, die nur spärlich von hartem Gestrüpp und knorrigen Bäumen bewachsen war. Einen willkommeneren Anblick boten hin und wieder tiefe Talausläufer, in denen sich kleine Bäche mit grün bewachsenen Ufern wie schmale Bänder durch die ansonsten ausgetrocknete Landschaft schlängelten. Hayden fragte sich wiederholt, ob es irgendwo auf der Insel eine Stelle gab, an der kein Felsgestein die Oberfläche durchbrach. Aber als er sich mit dieser Frage an Sir Gilbert wandte, war er von der Antwort überrascht.
»Sie werden es nicht glauben, aber an der Ostküste befindet sich eine sehr fruchtbare Ebene. Und hoch oben in den Bergen ist der Boden stellenweise feucht und von Farn überwuchert, der unter hohen Kiefern wächst. Die Landschaft hier ist sehr viel abwechslungsreicher, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.«
Im Verlauf der Wanderung schossen immer wieder Schlangen unter Büschen hervor, die sich dann aber genauso rasch wieder davonmachten. Die Ortskundigen versicherten den Gästen, dass diese Schlangen nicht giftig seien. Noch zahlreicher als Schlangen waren Salamander, nicht länger als die Hand eines Mannes, die
Weitere Kostenlose Bücher