Die letzte Eskorte: Roman
ein Prahler und brachte seine Karriere auf Kosten anderer voran. Dadurch hatte er sich viele Feinde gemacht. Vielleicht war das der Grund, warum seine wahren Errungenschaften immer von einigen Leuten schlecht gemacht wurden, die darin nichts als Prahlerei sahen. Des Weiteren war bekannt, dass Smith keine Gewissensbisse hatte, sich Machtbefugnisse anzumaßen, die seine Vorgesetzten ihm nicht übertragen hatten. Der Ausdruck »lose Kanone« passte daher genau zu dem eitlen und eingebildeten Sir Sydney.
Die Armeeoffiziere, von denen einige anwesend waren – darunter auch Oberst Moore, den Hayden schon kennengelernt hatte, und Major Kochler, der ebenfalls mit nach Korsika kommen würde – verfielen in Schweigen, als man auf das Thema Toulon und die Verluste zu sprechen kam. Aus verschiedenen Quellen war Hayden zu Ohren gekommen, dass der ranghöchste britische General Lord Hood davon abgeraten habe, Toulon zu erobern, da er der Ansicht war, die Stadt könne nicht gehalten werden. Die Seeoffiziere hingegen glaubten, die Stadt hätte verteidigt werden können, wenn das Oberkommando über das Heer mehr Engagement bei dem Vorhaben gezeigt hätte. Es war daher kein Geheimnis, dass Hood General Dundas für ängstlich und unentschlossen hielt – zwei Charaktereigenschaften, die man bei Lord Hood nicht finden würde.
Hayden fragte sich, ob sich Moore je in seinem Beisein ehrlich zu dieser Angelegenheit äußern würde. Denn Hayden hatte schon lange geglaubt, dass sich Toulon bei einer entschlossenen Belagerung durch eine große, bestens ausgerüstete Armee nicht lange würde halten können. Aber, und das war Hayden bewusst, dies war natürlich auch nur wieder die Sichtweise eines Seeoffiziers.
Sir Gilbert Elliot war ein gelehrter Mann, wie Hayden schnell merkte. Der Gentleman sprach mehrere Sprachen fließend, konnte sich gut verständlich machen und trat besonnen auf. Er hatte etwas von einem Idealisten, aber Hayden war der Meinung, dass die Welt Idealisten brauchte. Denn diese Leute steckten die Ziele, nach denen dann andere strebten.
»Waren Sie vor Kurzem auf Korsika?«, erkundigte sich Sir Gilbert bei Hayden.
»Nein, Sir, aber ich freue mich schon, die Insel kennenzulernen. Die Menschen dort jagen schon so lange ihrer Freiheit hinterher, dass mich der Gedanke, wir könnten ihnen dabei behilflich sein, mehr als zufriedenstellt, das gebe ich gern zu.«
Sir Gilbert tat lächelnd seine Zustimmung kund und nickte begeistert. »Ja, und nochmals ja. Ich hege die Hoffnung, dass es uns gelingen könnte, so etwas wie eine politische Struktur zu schaffen, die der unsrigen ähnelt. Aber natürlich mit Modifikationen, die auf den korsischen Charakter zugeschnitten sind. Und Gott weiß, dass unser System bei Weitem nicht perfekt ist. Vielleicht kommen wir ja durch unser Engagement auf Korsika selbst der Perfektion einen Schritt näher.«
Lord Hood hatte das Gespräch verfolgt und sah nun nachdenklich, aber vielleicht auch etwas belustigt aus. »Wenn der Allmächtige gewollt hätte, dass wir den Himmel erklimmen, Sir Gilbert, dann hätte er uns Flügel geschenkt. Aber das hat er nicht. Wir sind dafür bestimmt, am Boden zu bleiben und uns so gut es eben geht durchzuschlagen. Die Perfektion liegt nicht in der Natur unserer Spezies. Was uns heute von Nutzen ist, können wir vielleicht morgen nicht mehr gebrauchen, und doch machen wir weiter wie gehabt und werfen die Dinge nicht gleich über Bord, die uns einst von Nutzen waren und es jetzt vielleicht nicht mehr sind. Es mag sein, dass wir, wenn wir klug sind, unsere Ideen oder Institutionen noch einmal überarbeiten, damit sie wenigstens halbwegs funktionieren. Oder wir verwerfen sie und eignen uns etwas anderes an, das nicht besser ist, vielleicht sogar schlimmer. Nein, Perfektion, selbst wenn wir sie einen Augenblick lang erreichen, wird stets dem Bereich des Glücks zugehören, nicht einer guten Planung, dessen bin ich mir sicher. Ich bin der Auffassung, dass sich die Dinge im Leben – übrigens auch im Militärwesen – rasanter verändern, als wir es begreifen, und unsere Kenntnis der Vorgänge ist immer unvollständig. Wir treffen unsere Entscheidungen aufgrund von Gerüchten und Mutmaßungen. Manchmal erweisen sich diese Entscheidungen als gut, manchmal eben als schlecht.«
»Nun, ich hege jedenfalls weiterhin die Hoffnung, dass sich unsere Entscheidungen, was Korsika betrifft, als gut erweisen werden.«
»Da schließe ich mich an!« Lord Hood wirkte überrascht, dass
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