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Die letzte Eskorte: Roman

Die letzte Eskorte: Roman

Titel: Die letzte Eskorte: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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herunter, rutschte mehr, als dass er ging, und brachte Männer mit Tragen mit. Sofort beugte er sich über die Verletzten und sprach mit ruhiger Stimme auf sie ein.
    Im ersten Moment fand Hayden den Mann zu jung für eine solche Position, aber er wirkte kompetent und strahlte Selbstsicherheit aus, als er sich auf dem zerklüfteten Abhang leichtfüßig mit einer Anmut bewegte, die nur wenige an den Tag legten. Kurz darauf hatte er einen Druckverband angelegt, der die Blutung für den Augenblick zu stoppen schien, und wies die Träger an, die Verletzten vorsichtig auf die Tragen zu heben.
    Die Träger hatten es schwer auf ihrem Weg nach oben. Hayden war nicht überrascht, als er sah, wie Moore mehr als einmal einsprang, wenn es nötig war, und sich vorbildlich um die Opfer kümmerte. Aber als auch Kochler vortrat und den Trägern an einer besonders schwierigen Stelle half, wähnte sich Hayden in einem Traum.
    Die Dämmerung brach an, und Hayden eilte die Böschung hinab zu dem Bootsmann. Der Mann hatte längst sein Fitt in der Hand, bearbeitete die Spleiße an der Trosse und murmelte finstere Verwünschungen vor sich hin.
    »Es ist innen verrottet, Kapitän Hayden«, erklärte Germain, bog das Hanfseil auseinander und zeigte Hayden die schwarzen Flecken im Innern. »Nur dieser eine Strang. Wie er überhaupt so lange gehalten hat, ist mir ein Rätsel.«
    »Ja, es grenzt an ein Wunder«, pflichtete Hayden ihm bei.
    »Ab hier ist es nicht mehr innen faul, Sir. Sehen Sie? Einwandfrei.« Er schaute zurück auf das Seil, das zwei Seeleute anhoben. »Ungefähr sieben Faden, Kapitän Hayden. Ich habe noch gut die Hälfte einer Kabellänge in Reserve. Das Beste wäre, das verrottete Stück herauszuschneiden und ein neues zu spleißen. Wird aber ’ne Weile dauern, fürchte ich.«
    »Daran lässt sich nichts ändern. Versuchen Sie, die Spleiße so schnell wie möglich zu machen.« Hayden drehte sich um, hielt nach dem Leutnant Ausschau und entdeckte ihn weiter unten bei dem Geschütz. »Mr Jinks, wir spleißen das Tau neu. Nehmen Sie drei Vollmatrosen und überprüfen Sie diese Trosse von vorne bis hinten. Machen Sie Stichproben, denn dieses Tau hier ist stellenweise verrottet, man sieht es ihm aber nicht an.«
    »Aye, Kapitän. Im Schlitten sind einige Planken geborsten, Sir, aber ich denke, bis oben schaffen wir es noch.«
    »Ich sehe mir das gleich an.«
    Einige Planken wiesen tatsächlich Risse auf – drei insgesamt, aber Hayden war mit Jinks einer Meinung, dass vorerst eine notdürftige Reparatur genügen würde.
    Ganz bewusst versuchte Hayden, sich nicht von seiner Enttäuschung übermannen zu lassen. Nur noch wenige Stunden, und sie hätten zwei Achtzehnpfünder auf dem Bergrücken gehabt! Die Trosse war nur gerissen, da sie an einer Stelle faulig gewesen war, es hatte daher kein intaktes Tauwerk dem Gewicht nachgegeben – denn diesen Rückschlag hätten sie vermutlich nicht überwunden. Insgesamt hielten die Trossen der Belastung stand, aber die Steigung und die scharfkantigen Felsen stellten doch eine größere Herausforderung dar, als die Ingenieure vermutet hatten. Der Ausgang blieb daher offen.
    Während die Matrosen die Spleiße herstellten, hinterließ die untergehende Sonne einen opalisierenden Himmel. Jinks kam den Abhang herunter und trat zu Hayden. »Die Trosse ist insgesamt in Ordnung, Sir, es war nur diese eine Stelle. Hier und da sind einige Fasern aufgescheuert, aber das soll uns nicht beunruhigen.«
    »Hoffen wir, dass Sie recht haben. Wenn sich die Fäulnis weitergefressen hätte, hätten wir eine neue Kabellänge holen müssen. Ich möchte diese Arbeit nicht im Dunkeln machen, es ist gefährlich für unsere Männer. Aber uns bleibt keine andere Wahl.«
    Das Licht nahm rasch ab und beschränkte sich bald nur noch auf den westlichen Horizont. In der Dämmerung sahen die Gesichter der Matrosen blass aus, fast gespenstisch. Die Männer waren am Ende ihrer Kräfte.
    Wir sind so kurz davor, dachte Hayden. Nur noch ein paar Stunden.
    Am liebsten hätte er der Crew Ruhe gegönnt, aber er wusste, dass alle an die Trossen springen würden, sobald er den Befehl dazu gäbe. Die Männer würden die Kanonen bis ganz nach oben zerren, und wenn sie sich die Geschütze auf den Rücken binden müssten, so viel stand fest.
    Das neue Tauwerk wurde am Schlitten durch den Block geführt und in die alte Trosse gespleißt. Niemand verstand sich darauf so gut wie ein Seemann, aber trotzdem war die Arbeit zeitaufwändig, im

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