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Die letzte Eskorte: Roman

Die letzte Eskorte: Roman

Titel: Die letzte Eskorte: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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beigetragen zu haben.
    Stattdessen raffte sich Hayden auf und packte sich einen Abschnitt der Trosse. Jeder Seemann, der noch laufen konnte, machte sich erneut an die Arbeit, und obwohl alle am Rande der Erschöpfung waren, trugen sie das schwere Tauwerk wieder den Abhang hinunter.
    Der zweite Achtzehnpfünder schien das doppelte Gewicht zu haben. Hayden hörte die Männer tuscheln, als sie auf halbem Weg eine kurze Rast einlegten.
    »Ich glaube, die haben uns bei dem Gewicht belogen«, meinte einer der Männer.
    »Das Zolletikett ist bestimmt gefälscht, so viel ist klar.«
    Die Dunkelheit erschwerte den Aufstieg, da man sich bei jedem Schritt zweimal vergewissern musste, ob man auch genügend Halt hatte. Trotz der Fackeln sahen die Männer direkt beim Schlitten nicht immer die scharfen Felskanten oder das Wurzelgeflecht.
    Mitternacht war längst um, als die Kanone den Bergrücken erreichte. Und sobald das Kommando zum Anhalten gegeben wurde, sackten die Männer entkräftet zu Boden. Sie waren zu erschöpft, um den Erfolg mit Jubelrufen zu feiern. Die Mienen waren leer, die Augen umschattet. Nicht ein Wort wurde gesprochen, die Seeleute kauerten verdreht am Boden und fielen in eine Starre.
    »Sir ...«, ließ sich Jinks kurz darauf vernehmen.
    Hayden hockte auf der Kante des Holzschlittens und lehnte an der Kanone.
    »Ich fürchte, es wird bald kalt, und die Männer – sie haben keinen Schutz hier oben.«
    »Ich werde ihnen nicht befehlen, aufzustehen, Mr Jinks. Alle sind völlig ausgelaugt. Sollen sie ruhig die Nacht im Freien verbringen. Selbst wenn jetzt Schnee fiele, würden es die Männer nicht merken. Hoffen wir, dass alle die Nacht unbeschadet überstehen.«
    Hayden spürte gerade noch, wie er ganz allmählich in die Welt des Schlafes glitt.
    »Wenn Sie erlauben, Sir«, sagte eine Stimme wie von ferne. Hayden blinzelte und sah eine Gestalt, die sich halb über ihn beugte. Er glaubte, etwas auf seinem Körper zu spüren, ein leichtes Gewicht nur, und erkannte erst mit Verzögerung, dass es sich um eine Decke handelte. Jetzt gewahrte er auch Fackeln auf der Böschung, wo die Matrosen die Trosse losgelassen hatten und an Ort und Stelle auf den Felsboden gesunken waren. Im schwachen Schein wandelten Männer zwischen den schlafenden Matrosen, wie Priester zwischen den Gefallenen nach einer Schlacht.
    »Die haben uns Decken gebracht, Kapitän Hayden«, sagte Jinks, doch die Stimme des Leutnants war wie ein fernes Echo.
    »Wer denn ...?«
    »Die Soldaten, Sir.«
    »Wo haben die denn Decken gefunden?«, fragte Hayden noch, aber er fiel zurück in seinen Traum, ehe irgendjemand antworten konnte.

K APITEL ACHTZEHN
    Aus einer Entfernung von einer Seemeile schien Korsika von einer üppigen Vegetation überzogen zu sein, aber vom Deck der Themis aus, die eine Kabellänge vom Strand entfernt vor Anker lag, wirkte die Insel grün-grau. Dieser Eindruck ergab sich aus den tief hängenden Zweigen des Unterholzes, das größtenteils nicht vom Blattwerk verdeckt war. Aus der Ferne schienen die Stämme und Äste daher das Grün der Blätter zu dämpfen, ganz so, als vermischten sich die Farben für die Augen des Betrachters.
    Auf den nahe gelegenen Anhöhen feuerten die Batterien ohne Unterlass auf die französischen Stellungen weiter unten und beschossen die Schanze sowohl mit Kugeln wie auch explodierenden Sprenggranaten. Hayden hingegen konnte sich nur mäßig für die Vorstellung begeistern, dass die Franzosen jetzt in ihren Löchern hockten, während die Erdwälle um sie herum auseinandergerissen wurden. Tatsächlich war er immer noch zu erschöpft, um sich überhaupt über seinen Erfolg freuen zu können. Fast schon hatte er den Eindruck, jemand anders habe die Heldentat vollbracht, womöglich schon vor vielen Jahren.
    Einen Moment lang blickte er hinab auf die klare See, die sich ihm in reinem Azurblau bot. Er konnte sogar den sandigen Meeresgrund sehen, hier und da unterbrochen von flachen Felsen, die wie dunkle Schatten über den Boden der See verstreut lagen. Der noch warme Tag hatte bislang kaum Wind gebracht, die See lag ruhig da, der Himmel war wolkenlos.
    »An Deck!«, kam der Ruf aus der Mars. »Schiff nähert sich!«
    Viele Boote kamen und legten wieder ab, pendelten zwischen den britischen Schiffen oder zwischen der Flotte und der Küste hin und her, aber dieses Schiff schien direkt auf die Themis zuzuhalten – dabei handelte es sich, wie Hayden erkannte, um keines der eigenen Beiboote. In der Heckducht konnte

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