Die letzte Eskorte: Roman
schlimme Auswirkungen auf mein Privatleben. Ich muss mich einer Angelegenheit annehmen, einer Angelegenheit von höchster Dringlichkeit.«
Stephens lehnte sich in seinem Stuhl zurück, presste die Fingerspitzen aneinander, wie Hayden es in Erinnerung hatte, und betrachtete ihn mit einem kühl prüfenden Blick.
»Ich sage Ihnen ganz offen, Kapitän, dass es nur eine Route gibt, die Sie zu dem Ziel bringen wird, das Sie sich ersehnen – indem Sie Vollkapitän werden. Und auf dem Weg dorthin müssen Sie den Kommissaren der Lords beweisen, dass Sie dieses Ranges doppelt und dreifach würdig sind. Sie müssen sich bewähren, noch einmal bewähren und ein drittes Mal, bis die Mächtigen keine andere Wahl mehr haben, als Ihnen diese Stellung anzubieten. Ich darf mich diesbezüglich nicht weiter äußern, aber wenn Sie diesen Auftrag nicht annehmen, Kapitän Hayden, dann steht es womöglich nicht mehr in meiner Macht, Ihnen je wieder etwas Gleichwertiges anzubieten. Ich möchte noch betonen, dass ich Ihnen diesen Posten gesichert habe und dabei ein kleines – Opfer erbracht habe.« Ein Zucken lief durch die in spitzem Winkel aufeinander zulaufenden Finger. Der Blick des Sekretärs blieb undurchdringlich.
Hayden hatte so wenig Befürworter in der Navy, er konnte es sich nicht leisten, den mächtigsten und beständigsten Gönner, den er kannte, zu enttäuschen. Selbst wenn die Bemühungen des Ersten Sekretärs mitunter durchwachsene Ergebnisse zeitigten. Es war offensichtlich, dass Stephens’ andauernde Unterstützung von Haydens Willen zur Kooperation abhing.
Als Hayden antwortete, klang seine Stimme leise und seltsam brüchig. »Gewiss. Ich nehme den Auftrag dankbar an. Entschuldigen Sie mein Zögern.«
Einen Moment lang ließ der Erste Sekretär Schweigen folgen. »Es gibt da eine französische Fregatte«, erklärte er dann, »die unserer Handelsflotte schweren Schaden zufügt. Wir versuchen seit längerer Zeit herauszufinden, von welchem Hafen die Fregatte ausläuft, bislang hatten wir allerdings keinen Erfolg. Seit einigen Tagen verdichtet sich indes unser Verdacht, dass sie aus Le Havre kommt. Kennen Sie diesen Hafen?«
»Ja«, erwiderte Hayden und spürte, wie sein Mund ganz trocken wurde.
»Das hatte ich gehofft. Man erwartet von Ihnen, dass Sie diese Fregatte als Prise aufbringen oder versenken. Je früher Ihnen das gelingt, desto besser.«
»Welches Schiff werde ich erhalten?«
Stephens war von der Frage etwas überrascht. »Die Themis natürlich. Sie haben das große Glück, dass niemand anders sie haben möchte. Ein solches Schiff hätte ich Ihnen ohne Ihren Posten nie zusichern können.«
Die Gedanken rasten Hayden im Kopf herum. »Ich brauche noch etwas Zeit, um meine Crew zusammenzurufen.«
»Die Männer sind bereits alle auf dem Weg nach Plymouth«, teilte der Sekretär ihm mit. »Und Ihre Leutnants hatten alle Hände voll zu tun, Trinkwasser, Proviant und andere Fracht an Bord zu nehmen. Ich gehe davon aus, dass Sie Ihr Schiff bereit zum Segeln vorfinden werden. Daher rate ich Ihnen, sich gleich heute Abend noch einen Sitzplatz in einer der Postkutschen zu sichern. Ich möchte Sie möglichst schnell auf See wissen. Haben Sie mich verstanden?«
»Vollkommen.«
»Viel Glück, Kapitän.«
»Danke, Sir. Und Glück werde ich brauchen können.«
K APITEL DREIUNDZWANZIG
Das Glück manifestierte sich in Gestalt von Lord Arthur Wickham. Er stand im Innenhof der Kutschstation, einen Fuß auf seiner Seekiste, als fürchtete er, sie könne ihm in der Abenddämmerung entgleiten. Der junge Mann hüpfte fast vor Freude, so begeistert war er, seinen Kommandanten und Freund wiederzusehen.
»Kapitän Hayden!« Der junge Mann grinste. »Steigen wir zufällig in dieselbe Kutsche?«
»Wenn Sie nach Plymouth wollen, dann würde ich sagen, ja.« Hayden, der der Fahrt von sechsunddreißig Stunden mit äußerst gemischten Gefühlen entgegensah, war ebenfalls sehr erfreut, seinen Midshipman als Reisekamerad zu haben.
»Das nenne ich Glück, Sir. Und das Wetter sieht vielversprechend aus, kaum eine Regenwolke in Sicht.«
»Sehr vielversprechend, in der Tat. Sind noch weitere Kameraden von uns an Bord?«
»Ich glaube nicht, Sir.«
»Nun, es reicht ja völlig, wenn wir uns Gesellschaft leisten. Ich bin sehr froh, nicht allein reisen zu müssen, das kann ich Ihnen sagen.«
»Ich auch, Sir.«
Kurz darauf erreichte die Postkutsche den Innenhof, und das Pferdegespann wurde ausgetauscht. Stallburschen brachten die
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