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Die letzte Eskorte: Roman

Die letzte Eskorte: Roman

Titel: Die letzte Eskorte: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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Mrs Hertle und Miss Henrietta und teile ihnen mit, in was für einer Lage ich mich befinde. Ich kann es nicht mehr länger ertragen, wie ein widerwärtiger Schuft behandelt zu werden. Ich weiß auch nicht, aber wenn man lange genug eines furchtbaren Vergehens bezichtigt wird, glaubt selbst ein Unschuldiger letzten Endes an seine Schuld.
    Dein dir ergebener Freund,
    Charles
    Hayden las die Zeilen noch einmal durch und befand den Brief schließlich für passabel, faltete ihn, machte Gebrauch von dem Siegelwachs und adressierte ihn.
    Einen Moment lang lehnte er sich auf dem Stuhl zurück und starrte zum Fenster hinaus. Glockengeläut setzte ein. Es war drei Uhr in der Früh. Hayden hatte nie leicht in den Schlaf gefunden, doch inzwischen schlief er noch unregelmäßiger als sonst. Es war wie verhext, denn obwohl er sich vollkommen ausgelaugt fühlte, konnte er stundenlang nicht einschlafen.
    Dann beugte er sich vor und zog einen noch unbeschriebenen Bogen Papier aus einem Stapel hervor. Lange starrte er auf die helle Oberfläche und fragte sich, welche Worte er wählen müsste, damit Henrietta den Brief, wie durch einen geheimen Zauber, auch öffnete. Würde bei ihr die Neugierde überwiegen? Oder würde sie das Schreiben achtlos ins Feuer werfen?
    »Nein, sie wird mir eine Chance geben«, flüsterte er in den Raum hinein. »Tief in ihrem Herzen wird sie wissen, dass ich sie nie so betrügen würde.«
    Doch Augenblicke später war er sich nicht mehr so sicher.
    Aufgewühlt schritt er eine Weile auf dem knarrenden Dielenboden auf und ab, nahm dann jedoch wieder Platz und blickte auf den leeren Briefbogen.
    Meine liebe Henrietta,
    ehe irgendetwas anderes gesagt wird, möchte ich Ihnen mitteilen, dass die Gerüchte, ich hätte geheiratet, während ich von Ihnen getrennt war, absolut nicht der Wahrheit entsprechen. Eine Vermählung hat es nie gegeben. Zwei Frauen, französische émigrés , Mutter und Tochter, haben diese falsche Behauptung aufgestellt und benutzen meinen Namen, um einen Berg Schulden anzuhäufen. Das Geld dafür haben sie von meinem Prisenagenten erhalten. Weder Mrs Hertle noch Lady Hertle wollen mit mir sprechen oder meine Briefe lesen, und daher überlege ich die ganze Zeit fieberhaft, auf welche Weise ich mich an Sie wenden kann, um Ihnen alles darzulegen. Es schmerzt mich darüber hinaus, wenn ich mir vorstelle, dass die schamlosen Behauptungen jener Damen Ihnen Leid verursacht haben. Ich habe den beiden Frauen auf die Bitte von Sir Gilbert Elliot hin zu der Reise nach England verholfen, und nun haben sie meine Hilfsbereitschaft ausgenutzt, um in meinem Namen eine ganze Anzahl Kaufleute und meinen Prisenagenten zu betrügen – und Ihnen dadurch Qualen bereitet. Selten wurde eine gut gemeinte Tat mit einer derartigen Niedertracht vergolten.
    Ich hoffe sehr, dass Sie diese Zeilen lesen und begreifen, dass ich Ihr Vertrauen in keiner Weise missbraucht habe und dass sich mein Herz im Verlauf der letzten Monate nicht verändert hat – abgesehen davon, dass es Ihnen umso mehr gehört.
    Diesen Brief gab er jedoch nicht so schnell aus der Hand und schrieb ihn noch zweimal neu, allerdings ohne große Veränderungen vorzunehmen. Schließlich war Hayden bereit, ihn in die Post zu geben.
    Inzwischen war Leben in die Stadt gekommen, die langsam erwachte. Die knarrenden Räder der Fuhrwerke und Handkarren durchbrachen die Stille der noch dunklen Gassen.
    Hayden legte sich wieder in sein schmales Bett und hoffte, dass die Anzeige in den Zeitungen und die Briefe, die er geschrieben hatte, Früchte tragen würden. Dann fiel er in einen kurzen, von Sorgen bestürmten Schlaf und warf sich voller Unruhe von einer Seite auf die andere – wie ein rollendes und stampfendes Schiff auf hoher See.
    London war noch nicht lange erwacht, als Hayden den Brief an Mrs Hertle einem Laufburschen seines Wirts anvertraute und die anderen Schreiben zur Postsammelstelle brachte. Den ganzen Morgen wartete er, in der Hoffnung, Elizabeth möge nachgeben und seinen Brief lesen. Mehr verlangte er ja gar nicht – er wünschte sich nur, dass ihm jemand zuhörte.
    Zweimal wurden Briefe im Gasthof abgegeben, und auch der Postreiter machte Halt, aber keine Nachricht war an Hayden adressiert. Unruhig schritt er in seinem Zimmer auf und ab. Er aß kaum etwas, blickte nur voller Hoffnung aus dem Fenster. Dann durchmaß er die Unterkunft wieder von einer Wand zur anderen wie ein Tier in einem Käfig.
    Gegen zwei Uhr am Nachmittag, als er sich gerade

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