Die letzte Eskorte: Roman
diese beiden Frauen heißen.«
Ehe Hayden darauf antworten konnte, grummelte sein Magen laut und vernehmlich.
»Bitte entschuldigen Sie«, sagte Hayden schnell.
Archer hob nicht den Kopf. »Bourdon?«, fragte er.
»Nein, Bourdage.«
K APITEL ZWEIUNDZWANZIG
Hayden hatte noch nie das Gefühl gehabt, so wenig ausrichten zu können. Er musste unbedingt mit Henrietta sprechen, und genau das war ihm nicht möglich. Denn er wusste ja nicht einmal, wo sie sich im Augenblick aufhielt, sosehr er sich auch bemüht hatte, den Ort herauszufinden. Er wähnte sich in einer Flaute auf See, gefangen auf dem ruhigen, glasartigen Wasser, der lang ersehnte Hafen in Sichtweite. Immer wieder blickte man dann zum Horizont, schaute zum Himmel hinauf, in der Hoffnung, die Anzeichen einer leichten Brise zu sehen.
Wenn Elizabeth Hertle doch nur bereit wäre, ihn zu empfangen – aber sie weigerte sich. Er wusste nicht einmal, ob sie in London bleiben würde. Oder war sie womöglich längst irgendwo bei Henrietta? Hayden konnte nicht glauben, dass sein Freund Robert ihn nicht anhören würde, aber Robert war nun einmal auf See und nicht zu erreichen.
Hayden brauchte einen Vermittler, aber die beiden Menschen, die Hayden und Henrietta nahestanden, waren nicht da. Seine Verzweiflung stieg ins Unermessliche.
Daher sah er sich gezwungen, Briefe zu schreiben, deren Wortlaut einem pathetischen Flehen glich. Er glaubte nicht, dass Elizabeth seine Briefe lesen würde, und ein Schreiben an Robert wäre vielleicht Wochen auf See unterwegs – so lange konnte er nicht warten.
Natürlich könnte er einen Brief an Henrietta zu ihrem Elternhaus schicken, aber er wusste nicht, ob sie sich überhaupt dort aufhielt oder ob sie seinen Brief öffnen würde. Womöglich versteckte ihre Familie den Brief sogar, um Henrietta zu schützen.
Oh, wenn doch Robert nur in London wäre! Das Schlimmste an der Sache war, dass alle Missverständnisse rasch in einem Gespräch aus dem Weg geräumt werden könnten – so sah es jedenfalls Hayden. Er hatte Mademoiselle Bourdage nicht geheiratet – er war bloß Opfer eines gemeinen Betruges geworden.
Mit etwas Glück würden Elizabeth oder irgendein Freund seine Anzeige in den Zeitungen sehen und Henrietta informieren. Leider würde diese Anzeige erst in drei Tagen erscheinen.
Erneut nahm er an seinem kleinen Schreibpult Platz und tauchte die Schreibfeder in das Tintenfässchen.
Lieber Robert,
ich hoffe, dass du mir, unserer langen Freundschaft willen, die Ehre erweisen wirst, mich anzuhören. Ich bin Opfer eines skandalösen Betruges geworden. Zwei französische Flüchtlinge – eine gewisse Madame Bourdage und ihre Tochter Héloise Bourdage – haben behauptet, ich hätte die junge Dame in Gibraltar geheiratet. Um ihre Behauptung zu untermauern, haben die beiden sogar eine gefälschte Urkunde vorgelegt. Das Schlimmste ist jedoch, dass ich, auf die Bitte eines angesehenen Mannes hin, behauptet habe, diese beiden Frauen seien Verwandte meiner Mutter, damit sie nach England reisen konnten. Mit anderen Worten, ich habe einen Meineid geleistet, weil ich die Damen nach ihrer Flucht aus Toulon in Sicherheit wissen wollte. Leider lohnten sie mir meine Hilfe damit, dass sie hohe Schulden in meinem Namen anhäuften und obendrein meinen Prisenagenten davon überzeugen konnten, eine Summe zu bewilligen, die noch gar nicht vom Prisengericht ausbezahlt worden ist (und zu so etwas lässt sich Harris hinreißen! Ist das zu glauben?). Kurzum, mein Ruf ist ruiniert. Ich habe mich vertrauensvoll an einen Anwalt gewandt, der sich bereit erklärt hat, sich mit all den Gläubigern und Mr Harris auseinanderzusetzen. Denn Harris macht mich für seinen törichten Fehler verantwortlich!
Aber all das ist nicht so wichtig. Was mich am meisten schmerzt, ist, dass Miss Henrietta irgendwie von diesen Frauen und deren Behauptungen erfahren hat und nun glaubt, dass ich diese junge émigré tatsächlich geheiratet habe. Zumindest gehe ich davon aus. Denn ich konnte nicht herausfinden, wo sich Miss Henrietta gegenwärtig aufhält, um ihr alles zu erklären. Leider wollen mich auch weder Mrs Hertle noch Lady Hertle empfangen und weigern sich offenbar, meine Briefe zu lesen. Hätte ich mich wirklich dieses herzlosen Verhaltens schuldig gemacht, könnte ich sie ja verstehen, aber ich habe keine Schuld auf mich geladen, obwohl ich zugeben muss, dass ich sehr naiv gehandelt habe.
Bitte, Robert, ich flehe dich an, schreibe bei erstbester Gelegenheit an
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