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Die letzte Fahrt des Tramp Steamer

Die letzte Fahrt des Tramp Steamer

Titel: Die letzte Fahrt des Tramp Steamer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Álvaro Mutis
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hinter dich gebracht, und nichts kann dich mehr ändern.« Jon konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihr die Frage zu stellen, die unwiderruflich kommt, seit es Liebende gibt: »Aber heißt das, dass wir uns nicht mehr sehen werden?« Sogleich antwortete Warda mit so spontaner, aufrichtiger Bestürzung, dass Iturri einen Kloß im Halse spürte: »Nein, um Gottes willen! Darum geht es nicht. Jetzt würde ich nicht einmal den Gedanken ertragen, uns nicht mehr zu sehen. Ich muss die Füße auf festen Boden setzen, aber ich nehme dich mit. Du verstehst mich, das weißt du so gut wie ich. Ich mag nicht darüber sprechen.«
    Und hier verfiel Jon wieder in endloses Schweigen. Offensichtlich bereitete es ihm Mühe, auf den Abschied in Jamaika zu sprechen zu kommen. Beim Erzählen dieser Episode war er so wortkarg, dass es nicht ganz einfach ist, sie niederzuschreiben. Ich glaube, ein Satz, zwischen unbeholfenen Erklärungen und immer wieder heraufbeschworenen Details gesagt, spiegelt seine Gefühle sehr genau wider: »Dieses fast zerfallene Schiff mit seiner Schlagseite, das Sie an der Mole in Kingston sahen, ist das beste Bild dafür, wie sich sein Kapitän fühlte. Keinem von beiden war zu helfen. Die Zeit kassierte ihre Rechnung. Die Tage des Weins und der Rosen waren für beide vorbei.« Warda verabschiedete sich von Jon auf dem Flughafen von Kingston. Sie nahm eine Maschine nach London und wollte von dort nach Beirut weiterfliegen. Das Letzte, was sie ihm sagte, während sie sein Gesicht zwischen die Hände nahm und ihn fest wie eine Sibylle anschaute, war: »In Recife wirst du von mir hören. Lass mich mein Inneres in Ordnung bringen, und dann sehen wir uns wieder.« Mit zerrissenem Herzen ging Jon zum Frachter zurück, aber auch mit der Schicksalsergebenheit, die stoisch, ja wie eine iberische Fügung in die Beschlüsse der Götter war.
    Zu seinen Plänen gehörte der Versuch, in den Werften von New Orleans das Schiff reparieren zu lassen, und sei es nur provisorisch. Dann würde er La Guaira anlaufen, um Erdölbohrmaschinen für Ciudad Bolívar zu laden, und anschließend mit Holz nach Recife fahren. Der Befund der Schiffswerkstätten in New Orleans war ziemlich niederschmetternd. Die Generalüberholung der Rumpfkonstruktion und der Ladeluken war unerschwinglich, und angesichts des übrigen Zustandes des Schiffs konnten die Ingenieure nicht voll für sie garantieren. Der Anstrich der Außenflächen der Alción war teurer als der Schiffswert in den Papieren. Die kurz zuvor erfolgte Regulierung der Maschinen gab dem Schiff eine Überlebensspanne, die die Techniker nicht präzisieren mochten. Jon musste sich damit abfinden, die Ladekapazität auf die Hälfte zu reduzieren, um die Bord- und Ladelukenwände nicht zu überlasten. Als er nach La Guaira kam, konnte er deshalb nur einen Teil der Fracht annehmen, die ihn auf den Molen erwartete.

 
     
     
     
    D er Schlepper hatte die Sumpfgegend hinter sich gelassen und mündete in den letzten Abschnitt des Flusses vor dem Hafen. Dieses Stück war ausgebaggert und wurde von der Kolonie aus unterhalten, um den überaus regen Verkehr zwischen mehreren Städten an der Karibikküste zu ermöglichen; sie waren durch einen Kanal miteinander verbunden, der von einer Flusskrümmung nach Villa Colonial führte, das sich wegen seines Widerstands gegen die Pirateninvasionen des 17. und 18. Jahrhunderts einer heldenhaften Vergangenheit rühmen konnte. Die Fahrt durch die ausgedehnten Sumpfgegenden ist von bedrückender Monotonie. Ich muss gestehen, dass ich sie diesmal nicht einmal wahrgenommen hatte. Die Geschichte von Kapitän José Iturri hatte meine ganze Aufmerksamkeit beansprucht, und da wir die Nächte auf Deck dazu benutzten, um unser Gespräch fortzusetzen, verloren wir den Tag fast ganz, weil wir in unseren Kajüten schliefen, bei eingestellter Klimaanlage, die uns diese künstliche Leichenschauhauskühle brachte, welche in solchen Zonen zweifellos Linderung verschafft. Der letzte Abschnitt des Flusses war den beiden Ufern entlang mit Mauern aus festzementierten Steinen befestigt und vermittelte den Eindruck, in einen dieser Kanäle einzufahren, wie sie in Belgien und Holland das Land in allen Richtungen durchqueren. Bis zur Ankunft im Hafen blieben uns noch zwei Tage auf dem Schiff. In der vorletzten Nacht schlug mir Iturri vor, wie gewohnt wach zu bleiben. Seine Geschichte näherte sich dem Ende, das ich, ohne es zu wissen, teilweise als Zeuge miterlebt hatte. Um neun

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