Die letzte Flucht
Verbindungsmann bei Ihnen in Stuttgart.«
***
Zwei Tage später durchsuchten Schöttle und Weber die Wohnungen von Olga, Martin Klein und Mario. Sogar die Küche und die Kellerräume des Basta durchwühlten sie. Die Stuttgarter Polizei stellte ein Team von dreißig Beamten, die den Freundeskreis von Georg Dengler rund um die Uhr beschatteten.
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58. Domina
Nein, wie eine Domina sah sie nicht aus. Aber was verstand er schon von Dominas? In seiner Fantasie waren Dominas dunkelhaarig und eher kräftig. Marta war nichts davon. Sie war blond, mit engelsgleich gewelltem Haar, sie war schmal, fast dünn. Dengler schätzte sie zwischen dreißig und vierzig.
Marta sah eher wie eine Yogalehrerin aus als wie eine Domina. Sie trug hellblaue Jeans, ein dunkelgrünes Niki-Shirt und einen blauen Umhang.
Sie trafen sich, wie verabredet, vor der großen Calder-Plastik am Schlossplatz vor dem Kunstmuseum. Dengler war nicht wohl zumute auf dem großen öffentlichen Platz. Eine Polizeistreife kam vorbei, aber die beiden jungen Polizisten, ein gut aussehender Mann und eine brünette Frau, beachteten ihn nicht.
Marta hatte ihren Wagen in einer nahegelegenen Tiefgarage geparkt. Während sie nun in Richtung Cannstatt steuerte, gab sie ihm die ersten Instruktionen.
»Du bleibst in unserer Küche sitzen«, sagte sie. »Immer. Unsere Kunden dürfen dich nicht sehen. Die mögen es nicht, wenn sie noch einen anderen Mann im Studio sehen. Dann geht es gleich so …« – sie hob den ausgestreckten Zeigefingernach oben und ließ ihn dann schlapp nach unten hängen –, »und das ist geschäftsschädigend.«
»Ich bin dir wirklich dankbar«, sagte Dengler.
»Ist schon ok«, sagte sie. »Olga ist meine Freundin, und sie hat mir schon mehr als einmal in schwierigeren Situationen geholfen.«
Sie fuhr nun in die Tiefgarage eines unansehnlichen großen Wohnblocks und parkte auf einem reservierten Parkplatz.
»Wir arbeiten meist bis um zwei Uhr in der Nacht«, sagte sie. »Manchmal, allerdings selten, wenn wir Partys veranstalten, kann es schon mal bis in den frühen Morgen gehen. Erst danach darfst du rauskommen. Bettzeug haben wir da. Wir haben ein paar unterschiedliche Betten im Studio, einige sind wohl benutzt. Aber du kannst auch auf der Streckbank schlafen.«
Sie führte ihn durch einen schmalen Gang in den Hausflur. Es roch nach fernöstlichem Essen.
»Wir haben in dem Haus noch andere exotische Mieter.«
Sie hörten Schritte, und ein Mann in einem weißen Kaftan und einem schwarzen Vollbart kam mit schweren Schritten die Treppe herunter. Er sah sie nicht an, wich aber auch auf der Treppe nicht aus, sondern ging einfach weiter als würde er Marta, die sich ans Geländer drückte, nicht sehen.
»Das sind die Strenggläubigen«, flüsterte sie. »Die haben hier eine Art Mini-Moschee. Für die sind wir das, was für meine pietistische Tante Berta aus Albstadt der Leibhaftige ist.«
Sie senkte die Stimme noch ein wenig: »Die träumen von neunundneunzig Jungfrauen. Aber damit können wir nun wirklich nicht dienen.«
»Aber kochen können sie. Es riecht gut.«
»Das sind die Inder. Hier gibt es auch ein hinduistisches Zentrum. Die sind freundlicher und kochen besser. Du siehst: Hier im Haus gibt es für jeden Geschmack etwas.«
Sie blieb vor einer schweren Stahltüre stehen.
»Hier also ist dein Versteck für die nächste Zeit«, sagte sie. »Möge es dir Glück bringen.«
Dengler versuchte zu lächeln.
***
Es war zwei Uhr in der Nacht, und Dengler war müde.
Aber nicht nur Dengler gähnte. Marta saß in ihrem schwarzen Lederzeug am Tisch, den Blick nach innen gerichtet und rauchte. Lady Esther, die jetzt wieder Nadine hieß, hatte ihre Stiefel mit den höchsten Absätzen, die Dengler je gesehen hatte, ausgezogen und massierte sich mit der rechten Hand einen Fuß, während sie mit der linken eine Zigarette an den Mund führte und daran zog, als hinge ihr Leben davon ab.
»Immer High Heels«, sagte sie. »Abends hier im Studio Super-High-Heels. Morgen im Büro wieder die übliche Variante.«
Die Bizarrlady Anastasia, die jetzt wieder Rita hieß, rauchte auch. Alle rauchten, außer der Sklavin Trixi, die noch einen Kunden in dem Studio mit der Streckbank hatte. Dengler dachte mit Schrecken daran, wie seine Klamotten stinken würden, er hatte keine anderen mehr als die, die er anhatte.
»Ich verstehe das nicht«, sagte er.
Drei Augenpaare blickten ihn müde an.
»Was verstehst du nicht?«, fragte Marta.
»Ich weiß
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