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Die letzte Flucht

Die letzte Flucht

Titel: Die letzte Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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sah.
    »Wir dosieren den Wirkstoff niedriger, dann treten weniger Nebenwirkungen auf. Wir nehmen junge Testpersonen, auch bei denen treten Nebenwirkungen seltener auf als bei älteren oder Kranken.«
    »Testen Sie Krebsmedikamente an Personen, die die Krankheit erst im Anfangsstadium haben?«
    »Was werfen Sie mir vor, Henry? Das machen alle so. Warum haben Sie mich genommen? Warum nicht irgendeinen meiner Kollegen? Warum ich?«
    Er schluchzte.
    Vielleicht war es der Rotwein, vielleicht Verzweiflung. Plötzlich standen Tränen in den Augen des mächtigen Mannes.
    »Warum ich, Henry? Ich arbeite, seit ich denken kann, in dieser Branche. Ich bin erfolgreich. Ich werde nicht kritisiert, außer von gewissen Journalisten. Ich habe das Verdienstkreuz. Ich speise im Kanzleramt. Ich bin ein angesehener Bürger dieses Landes. Wir spenden an die CDU . Wir spenden sogar an die SPD und ein bisschen an die Grünen. Was wollen Sie von mir?«
    »Ich will nur verstehen, Assmuss. Mehr nicht.«
    Assmuss seufzte.
    »Warum lesen Sie dann nicht das arzneimittel-telegramm ? Dort war zu lesen von einer Studie der Universität Edinburgh. Demnach räumten ein Drittel der befragten Forscher ein, dass sie Daten aufgrund eines Bauchgefühls fallen lassen. Sie verändern das Design der Studien, an denen sie arbeiten, sie verändern die Methode oder die Ergebnisse, oft wegen des Drucks, der von den finanzierenden Institutionen ausgeübt wird.«
    »Und das macht auch Peterson & Peterson ?«
    »Ja. Aber Henry, ich kann es immer wieder sagen: Peterson & Peterson ist doch nicht alleine auf der Welt. Sie kennen doch die firmeninternen Schulungsunterlagen von Pfizer , die wegen Gerichtsverfahren in den USA bekannt wurden.«
    »Nein, die kenne ich nicht.«
    »Nun, vielleicht wurden die in Deutschland nicht so bekannt. Ich kenne einiges davon auswendig.«
    »Ich höre.«
    » Die von Pfizer finanzierten Studien gehören Pfizer und nicht irgendjemandem. Der Zweck der Daten ist es, direkt oder indirekt den Verkauf unseres Produkts zu unterstützen. So steht das da, Henry. Und so denkt jeder in der Branche. Und weiter heißt es: Deshalb ist die Marketingabteilung immer einzubeziehen, wenn Studiendaten verbreitet werden. So sieht’s aus.«
    »Weiter!«
    »Nun«, sagte Assmuss resigniert, »wir veröffentlichen Studien nicht, wenn sie nicht die gewünschten Ergebnisse bringen. Oder wir brechen sie ab und setzen sie neu auf, vielleicht mit anderen Testpersonen, anderem Design oder anderen Fragestellungen.«
    Oder anderen Dosierungen?
    »Oder anderen Dosierungen?«
    »Oder anderen Dosierungen. Ja, das auch. Studien sind Verkaufsargumente. Und wir wollen gute Verkaufsargumente. Ist das denn verwerflich? Veröffentlicht Daimler denn alle Ergebnisse der Crashtests? Legt die Bahn den Stresstest zu Stuttgart 21 nicht aus, wie sie ihn braucht?«
    »Medikamente sind keine Autos oder Kugelschreiber oder Reisetickets. In meinem laienhaften Verständnis sollen Medikamente Krankheiten heilen, vielleicht sogar Leben retten. Ist es da nicht wichtig, auch negative Studien zu kennen?«
    »Ich bin Geschäftsmann, Henry. Ich werde nicht danach bezahlt, wie viel Leben ich rette. Ich werde daran gemessen, ob ich vierzig Prozent Umsatzrendite mache. So einfach istdas. So sind die Verhältnisse. Und ich habe sie nicht erfunden.«

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57. Fahndung
    »Wir überwachen Denglers gesamtes Umfeld. Seine Freundin und seine Bekannten«, sagte Weber. »Wir holen sie zur Vernehmung. Wir werden verhindern, dass sie Kontakt zu ihm haben und ihm mit Geld oder Informationen helfen. Die Telefone werden überwacht. Die E-Mails kontrolliert. Der Bahnhof und der Flughafen werden überwacht. Jeder Polizist in der Stadt kennt Dengler. Wir tun, was wir können.«
    »Gut«, sagte Finn Kommareck. »Dann werden Sie ihn bald verhaften.«
    »Wir haben die Tatwaffe gefunden«, sagte Webers Stellvertreter, Hauptkommissar Joppich. Er steckte sich eine neue Zigarette an und betrachtete Finn Kommareck eingehend. »Das ist gut … Ich meine: Aber das ist nicht alles. Es kann doch genauso gut sein, dass irgendjemand Dengler die Waffe untergeschoben hat. Diese Möglichkeit dürfen wir nicht außer Acht lassen.«
    Finn Kommareck zog genervt die Luft durch die Mundwinkel ein.
    »Ich will ihn erst mal in Handschellen vor mir sitzen haben«, sagte sie. »Dann sehen wir weiter. Wichtig ist, dass der Druck auf sein gesamtes Umfeld aufrechterhalten wird. Ich muss nach Berlin zurück. OK Schöttle bleibt als

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