Die letzte Flucht
nicht, warum die das machen. Eure Kunden, meine ich. Warum zahlen sie euch Geld, um geschlagen zu werden? Oder was immer ihr mit den Kerlen da macht, wenn ihr allein mit ihnen seid.«
»Wir sind gut für sie«, sagte Rita.
»Ihr fügt ihnen Schmerzen zu.«
Keine der Frauen reagierte.
»Wir sind die Meisterinnen des Schmerzes«, sagte Marta schließlich. »Wir schenken die unterschiedlichsten Formen des Schmerzes: den tiefen Schmerz, den stechenden Schmerz, den dumpfen Schmerz …«
»Den pochenden Schmerz«, sagte Nadine.
»Den spitzen Schmerz, da bin ich ziemlich gut«, sagte Rita.
»Den brennenden Schmerz, den pulsierenden Schmerz, den …«, fuhr Marta fort.
»O. k., o. k. Ich verstehe. Ihr seid Profis. Aber warum begeben sich Menschen in so eine Abhängigkeit, in so eine schmerzende Abhängigkeit?«
»Weißt du«, sagte Marta, »der Schmerz ist nicht das Entscheidende. Er ist nur ein notwendiges Durchgangsstadium. Wir führen unsere Kunden in das Land dahinter.«
»Das Land dahinter?«
»In das Land der Namenlosigkeit.«
»Das Land der Namenlosigkeit? Was soll das denn sein?«
Marta überlegte.
»Unsere Kunden«, sagte sie nach einer Weile, »haben ein gemeinsames Merkmal. Es sind Männer, die nicht mehr um etwas bitten können.«
Langsam, ganz langsam nickte Rita mit dem Kopf, so als erkenne sie an Martas Aussage etwas, das ihr erst jetzt recht klar würde.
»Diese Männer«, fuhr Marta fort, »lernen bei uns wieder ›bitte‹ sagen. Wir versetzen sie in eine Situation der Hilflosigkeit. Die Schläge und die Demütigungen sind hilfreich. Sie helfen diesen Männern, ihren Panzer abzulegen.«
»Jepp, wir knacken sie.« Nadine war es, die diesen Einwurf machte.
»Stell es dir als eine Art Marathon vor«, schlug Marta vor. »Auch dort gibt es diese komplette Überreizung, in diesem Fall durch Überanstrengung, durch das Laufen eben. Das setzt Endorphine frei. Ein Glücksgefühl entsteht.«
»Und schon zahlen sie«, sagte Nadine.
Marta schüttelte den Kopf: »Sie regredieren. Sie werden wieder zu Kindern.«
»Sie kriechen auf allen vieren«, sagte Nadine.
»Sie treten für einen Moment wieder in das Paradies ihrer Kindheit. Sie müssen nichts entscheiden, sie sind beschützt, sie erhalten Weisungen, sie sind für eine Stunde authentische Menschen.«
Dengler schüttelte zweifelnd den Kopf. Marta steckte sich eine neue Zigarette an und zog so heftig daran, dass Dengler sie für einen Augenblick irritiert ansah. So einfach, wie Marta die Dinge darstellte, waren sie vielleicht doch nicht.
»Jepp, und dafür haben wir unsere Werkzeuge, wie jeder gute Handwerker«, rief Nadine und sprang auf.
Sie ging zu einem Schrank und öffnete ihn.
»Hier«, sagte sie. »Unsere Maurerkelle ist der Rohrstock.«
»Brennender Schmerz«, vermutete Dengler.
»Genau. Und hier das Paddel. Sehr schön auch die Pferdehaarpeitsche. Diese hier ist aus Latex.«
Sie warf alles auf den Boden.
»Stacheldraht. Kann man nicht bei jedem einsetzen. Wir wollen ja möglichst wenig Spuren von unserer segensreichen Arbeit hinterlassen.«
Der Stacheldraht flog in hohem Bogen auf den Boden.
»Lass gut sein«, sagte Marta.
»Und was haben wir denn hier? Bullenpeitschen. Super. Vier Ausführungen. Ein Meter. Anderthalb Meter. Zwei Meter und drei Meter.«
In diesem Augenblick ging die Tür auf, und Sklavin Trixie kam herein. Splitternackt. Dengler wusste nicht, wie er sich verhalten sollte.
»Stört’s dich, wenn ich nichts anhabe?«, fragte sie ihn.
Er schüttelte den Kopf. Er wollte ganz natürlich wirken, spürte aber, wie er sich verkrampfte. Sollte er hinsehen? Ja, er wollte sich verhalten, als sei das alles völlig normal.
»Die Bullenpeitsche«, sagte Trixie. »Die mag ich am liebsten. Die zwei Meter lange ist einfach zum Hinknien.«
Sie überlegte einen Augenblick.
»Aber meistens knie ich ja sowieso, wenn ich sie damit krieg.«
Die Mädels lachten. Dengler spürte zu seinem Ärger, wie ihm das Blut in die Wangen stieg.
»Jepp, er wird rot«, rief Nadine, »das hatten wir hier noch nicht.«
Trixie ließ sich auf den letzten freien Stuhl fallen und griff sich eine Zigarette vom Tisch. Dengler gab ihr Feuer.
»Eine echter Gentleman«, sagte Rita.
»Na, die haben wir hier öfter«, sagte Nadine.
Alle lachten. Es herrschte plötzlich eine entspannte Fröhlichkeit am Tisch.
»Morgen kommen doch unsere beiden Lehrlinge«, sagte Nadine.
»Ja. Veronika und Barbara. Die beiden Neuen«, bestätigte
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