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Die letzte Flucht

Die letzte Flucht

Titel: Die letzte Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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geweint, wie sie ihn noch nie hatte weinen sehen.
    »Niemand darf dich mir wegnehmen. Ich habe dich gesucht. Auf der ganzen Welt habe ich dich gesucht.«
    Zwei Tränenschlieren färbten rechts und links der Nase seine Haut dunkler. Er bemerkte es nicht.
    »Wir haben uns auf einer Blaulichtparty kennengelernt«, erinnerte ihn Finn. »Du hast mir einen Caipirinha über meine neue weiße Bluse geschüttet.«
    Auch sie weinte. Aber sie weinte nicht wegen ihres eigenen Elends, sondern weil Daniel sie so sehr liebte. Fast war sie glücklich.
    »Das war das Beste, was ich in meinem Leben verschüttet habe. Diesen Caipi über deine Bluse.«
    »Gott sei Dank hatte ich einen BH an.«
    »Und ich hatte genau darauf gehofft, dass du keinen …«
    Sie lachten und weinten gleichzeitig.
    »Ich lasse nicht zu, dass dich mir jemand wegnimmt. Schon gar nicht ein Tumor. So was Dämliches. Ein Tumor! Wenn es wenigstens George Clooney wäre! Ja, dann könnte ich sagen: nichts zu machen. Keine Chance. Aber von einem Tumor lass ich dich mir nicht wegnehmen.«
    Neue Tränen. Neue Schlieren.
    Viele Tränen für einen Abend.
    »Versprich mir, Finn, dass wir kämpfen.«
    Sie sah in seine roten Augen. Sie sah, wie sein Kinn zitterte.
    »Versprich es mir, Finn. Bitte. Wir kämpfen. Um dich. Um uns.«
    Er streckte seine Hand aus.
    »Schlag ein, Finn. Wir besiegen den Tumor.«
    Ernst war sein Gesicht. Und schön.
    Sie schlug ein: »Nur, wenn du uns jetzt zwei Caipis mixt.«
    Lachen.
    Weinen.
    ***
    In den nächsten beiden Wochen wuchs die Kommission auf 62 Beamte und Beamtinnen an und hieß nun Soko Jasmin. Schöttle übernahm mehr Verantwortung, wenn Finn ausfiel; Maria blieb in Stuttgart und half bei der Überwachung von Denglers Umfeld. Peter Dahlheimer koordinierte das Spurenmanagement. Er wuchs mit seiner Aufgabe, verlor das nervöse Gehabe. Er würde ein guter Polizist werden.
    Wenn ich einmal nicht mehr da bin, dachte sie.
    In ein paar Tagen würde sie mit der ersten Chemotherapie beginnen.
    Sie hatte Angst.
    Mit der sichergestellten Tatwaffe waren sowohl Jasmin Berner als auch Bernhard Voss getötet worden. Die Schläge waren professionell ausgeführt worden.
    Schöttle war davon überzeugt, dass Dengler der Täter war. Dengler war Ex-Polizist, verfügte über Kenntnisse in Anatomie. Während seiner Zeit beim Bundeskriminalamt hatte er Täter erschossen.
    »Er besitzt sowohl die nötige Erfahrung als auch die erforderliche Kaltschnäuzigkeit«, sagte Schöttle. »Und er hat keine Tötungshemmung mehr.«
    Auch die Tatsache, dass Dengler zum Zeitpunkt des Mordes an Jasmin Berner an einem Fortbildungskurs des FBI in New York teilgenommen hatte, bezahlt ausgerechnet vom BKA , brachte Schöttle nicht ein Jota von seiner Überzeugung ab.
    »Wir müssen im Milieu der organisierten Kriminalität suchen. Auch wenn die amerikanischen Kollegen sein Alibi bestätigen und uns beweisen können, dass der echte Dengler und nicht irgendein Strohmann in den USA war: Wir habendie Tatwaffe in Denglers Wohnung gefunden – und selbst wenn Dengler im Falle von Jasmin Berner vielleicht nicht der unmittelbare Täter war, dann war er der Drahtzieher im Hintergrund. Was wiederum bedeutet – und alle Anzeichen sprechen dafür: Er muss in einen kriminellen Ring eingebunden sein.« Schöttle blickte in die Runde. »Daher muss sein Umfeld lückenlos überwacht werden.«
    »Das ist nicht so einfach. Die Stuttgarter Kollegen gehen auf dem Zahnfleisch. Die brauchen dort jeden Mann bei den Demonstrationen«, sagte Dahlheimer.

[Menü]
62. Der Polizeichef
    Es hätte niemals geschehen dürfen.
    Er war selbst schuld.
    Es war nachts um zwei Uhr.
    Ich habe spät noch eine Kaviar-Session, hatte Marta ihm gesagt. Er wusste nicht, was das war: eine Kaviar-Session. Es war wohl etwas, von dem die Mädchen sagten: Das willst du gar nicht wissen. Reines Bio, mach dir keine Sorgen, sagte Maxi, und alle Frauen lachten fröhlich. Und manches, was sie in den Studios trieben, wollte er wirklich nicht wissen.
    An diesem Abend waren die Mädchen schon nach Hause gegangen. Dengler fegte den Empfangssalon, die beiden Behandlungszimmer, das Klassenzimmer. Alles war ruhig.
    Die Tür zum Zimmer mit der Dildomaschine stand nicht offen. Dengler hielt sein Ohr an die Tür. Er hörte nichts. Er war müde. Er musste noch die drei Latexanzüge säubern, die in diesem Zimmer lagen und am frühen Abend benutzt worden waren. Harte Arbeit stand ihm bevor. Er nahm den Besen, öffnete die Tür und trat

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