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Die letzte Flucht

Die letzte Flucht

Titel: Die letzte Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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Marta.
    »Ich wüsste, an wem die beiden üben könnten«, sagte sie.
    Dengler sah plötzlich in vier interessierte Augenpaare.
    »Gute Idee«, sagte Marta. »Georg, irgendwie musst du dich schon nützlich machen, wenn du dich hier die ganze Zeit versteckst.«
    »Erst mal zum Aufwärmen ein paar Schläge auf den Arsch. Dann langsam steigern.«
    Dengler fühlte, wie seine Handflächen feucht wurden und der Mund trocken.

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59. Diagnose
    Finn Kommareck saß auf dem Stuhl und regte sich nicht.
    »Danke, Herr Dr. Rapp. Danke für Ihre Offenheit.«
    Sie wollte aufstehen.
    Es ging nicht.
    Wie in einem absurden Film zogen Bruchstücke an ihr vorbei. Bilderbruchstücke: das ernste Gesicht von Dr. Rapp. Durchs Fenster sah sie, wie Leute in einen Bus stiegen, als sei nichts geschehen. Tonbruchstücke: gemeinsam in Angriff nehmen, manchmal gibt es Wunder, Lebenswillen nicht verlieren .
    Aber sie glaubte ihm kein Wort.
    Er sieht mich schon als Tote.
    Irgendwie gelangte sie auf die Straße.
    Kraftstrotzend, voller Energie hatte sie die Praxis betreten. Jetzt stand sie auf dem Bürgersteig, und ihre Knie zitterten.
    Schlechte Nachricht.
    Eigentlich die schlechtestmögliche Nachricht.
    Will Ihnen nichts vormachen.
    Unabänderlich.
    Erst mal dieses Rezept.
    Schmerzen lindern.
    Bestenfalls hinauszögern.
    Eine Chemotherapie beginnen.
    Tun, was wir können.
    Dafür eigentlich schon zu spät.
    Eben noch hatte ihr Fall eine positive Wendung genommen. Sie hatten die Tatwaffe gefunden. Die Fahndung nach Georg Dengler lief auf Hochtouren. Der Staatsanwalt sprach von einem Durchbruch. Der Polizeipräsident rief an. Lobte sie.
    Wie soll ich es Daniel sagen? Er ist doch ein so sensibler Mann. Wie wird er diese Nachricht verkraften? Er hat nun eine sterbende Frau.
    Ich bin eine sterbende Frau.
    Sie sah nicht, was sie sah. Sie spürte nicht mehr den Boden unter ihren Füßen.
    Ich bin eine sterbende Frau.
    Als wolle ihr Körper bestätigen, was der Kopf dachte, sprang der Schmerz sie an wie ein tollwütig gewordener Hund, hinterrücks, gemein, ohne Erbarmen. Sie fiel der Länge nach auf die großen Steinplatten und schrie einmal laut auf. Eine alte Frau half ihr wieder auf die Beine. Sie klopfte den Schmutz von ihren Kleidern.
    Mit Tränen in den Augen.
    Ich bin eine sterbende Frau.
    Die alte Frau stützte sie und zeigte ihr den Weg zur Apotheke.
    »Gleich hier, um die Ecke.«

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60. Flucht (2)
    »Das Bohnenviertel wimmelt von Polizisten. Deine Verbindung zu Olga bin ich. Wir müssen vorsichtig sein«, sagte Marta. »Alle deine Freunde werden überwacht. Du darfst keinen anrufen. Olga hat Jakob benachrichtigt.«
    Dengler machte sich nützlich. Abends putzte er die Studios. Er gewöhnte sich an das Stöhnen, an das Schreien und an Blut und Sperma.
    Veronika und Barbara, die beiden neuen Domina-Lehrlinge, waren nett.
    »Fast wäre ich euer Lehrmaterial gewesen«, sagte er zu ihnen.
    Sie lachten.
    Seltsamerweise war die Welt in der kleinen Teeküche inmitten der nackten oder nur mit Mieder, Strapsen und Plateauschuhen bekleideten Frauen nicht im Geringsten sexuell aufgeladen.
    Alltagssorgen bestimmten das Gespräch. Manchmal holte Dengler eines der Kinder aus dem Kindergarten ab. Er war froh, ins Freie zu kommen.
    Wie lange war er schon hier?
    Marta besorgte ihm Pullover, Mantel, warme Sachen.
    Er wartete auf die Nachricht, dass der wirkliche Täter gefasst wurde.
    Mach zu, Finn Kommareck, sagte er sich jeden Abend.
    Sollte er sie anrufen?
    Mach zu, Finn Kommareck.
    Du bist eine gute Polizistin.
    Er zog eine dunkle Brille an, fuhr mit der Straßenbahn nach Feuerbach, mit der S-Bahn nach Ludwigsburg und von dort mit einem langsamen Zug nach Mannheim. Von einer Telefonzelle aus rief er Dr. Lehmann an.
    »Ich war’s nicht«, sagte er.
    »Ich weiß nicht, was ich in diesem Fall noch glauben kann. Ich rate Ihnen: Stellen Sie sich, Dengler.«
    Er rief Christine Leonhard-Voss an.
    »Ich war’s nicht«, sagte er zu ihr.
    Sie bekam einen Schreikrampf am Telefon und beschimpfte ihn.
    »Mörder, Mörder, Mörder!«
    Deprimiert legte er auf.
    Von Mannheim fuhr er mit einem Vorortzug nach Bruchsal und stieg in einen Zug nach Mühlacker, von dort mit einem Taxi nach Vaihingen, mit der S-Bahn nach Zuffenhausen und mit der Straßenbahn nach Bad Cannstatt. Er brauchte einen Tag für diese Reise. Einen Tag für zwei sinnlose Telefonate.
    Dann kam die Nacht, die alles veränderte.

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61. Caipirinha
    »Wir kämpfen«, sagte Daniel.
    Er hatte

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