Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood
wird es einen Ausschlag geben, ein Artefakt der Eiskappenschmelze …«
Der Meeresanstieg und die ihn begleitende Erwärmung hatten ausgereicht, um sowohl die grönländische als auch die antarktische Eiskappe zu destabilisieren. Die auf dem Meer schwimmende westantarktische Eisdecke begann zu zerbrechen, da das Wasser stetig stieg und sich erwärmte. Aber die schwimmende Decke fungierte als Damm, der die Gletscher blockierte, Eisflüsse, die von dem gefrorenen Kontinent rannen. Jetzt strömten diese Gletscher eilends zum Meer und kalbten Eisberge. Nicht mehr lange, dann würde die riesige ostantarktische Eisdecke, die seit zwanzig Millionen Jahren fest auf ihrem Felsenfundament verankert war, ebenfalls zerbröckeln.
Elena schüttelte den Kopf. »Überschwemmungen. Erdbeben. Gewaltige Flüchtlingsströme, die wiederum zu Verknappungen führen und die Ausbreitung von Krankheiten sowie Konflikte mit sich bringen. Verlagerung von Klimazonen,
wodurch sich unter anderem die Verbreitungsgebiete von Moskitos und anderen Infektionsvektoren verändern. Unser Planet lässt uns im Stich.«
»Hübsch zusammengefasst«, sagte Thandie trocken. »Ihr verdammten Russen seid doch ein elender Haufen.«
»Bei uns gibt es ein Sprichwort«, erwiderte Elena. »Die ersten fünfhundert Jahre sind die schlimmsten … Mir wird leider kalt. Wir sollten gehen und unsere Sachen für heute Nacht auspacken. Und dann können wir diese trostlosen Nachrichten noch einmal an alle weitergeben.« Sie stieg aus dem Wasser. Die Unterwäsche klebte ihr an der Haut.
Thandie betrachtete Elena, - und merkte, dass Gary sie dabei beobachtete. Sie stand auf, streckte sich und kam zu Gary herüber. Sie war wirklich sehr schön, dachte er, wie eine athletische Jägerin und Sammlerin. »Behalte deine Bemerkungen für dich«, sagte sie leise und grinste ihn ohne jede Bosheit an. Als sie weiterging, regneten Tropfen auf ihn herab, die von ihrem Körper erwärmt worden waren.
Während sie sich anzogen, sagte Elena, sie habe mit dem Datschapersonal ein Abendessen ausgehandelt. »Es gibt lokale Delikatessen, Rote-Beete-Suppe und Forelle in Walnusssoße. Keine Angst wegen des Fisches. Nur die tieferen Schichten des Schwarzen Meeres sind mit industriellem Schwefelwasserstoff vergiftet …«
43
Die Gruppe durchquerte den Kaukasus in nördlicher und östlicher Richtung und umfuhr die Ausläufer der Berge. Dann ging es durch eine Steppe aus sandigem Lehm zum Ufer des Kaspischen Meeres hinunter, bis sie das untere Wolga-Tal erreichten.
Sie blieben einen Tag in Astrachan, einer Küstenstadt in der Nähe der Grenze zu Kasachstan, die sich über das Wolga-Delta ausbreitete und elf Inseln umspannte. Das vom Weltmeer abgeschnittene Kaspische Meer war noch nicht gestiegen, und die Anrainerstaaten waren bisher von den Überschwemmungen verschont geblieben, die es anderswo gegeben hatte. Gary und die anderen mutete es seltsam an, in der Stadt herumzulaufen und die Kathedrale, den Kreml, die Brücken zu sehen, die alle auf unheimliche Weise unversehrt waren, als hätte sich in der Welt nicht das Geringste verändert. Aber die meisten Bewohner hatten die Stadt verlassen, und sie begegneten mehr Soldaten als Zivilisten. Die russischen Behörden wussten, dass die ozeanische Transgression unmittelbar bevorstand, und hatten alle verfügbaren Vorsichtsmaßnahmen getroffen.
Die Wissenschaftler teilten sich auf, um die Inkursion aus verschiedenen Blickwinkeln beobachten zu können. Einige von ihnen, darunter Sanjay und Elena, blieben in Astrachan.
Die anderen reisten in Zweier- oder Dreiergruppen von Astrachan aus in verschiedene Richtungen, das Flusstal hinauf oder zu mehreren Beobachtungsposten am Nordufer des Kaspischen Meeres, wo einige Tausend Quadratkilometer des Küstengebiets unter dem alten Meeresspiegel lagen, ein großer Tieflandstreifen, der sich um die Küste herumzog und etwa hundertfünfzig Kilometer weit ins Landesinnere erstreckte.
Gary und Thandie bildeten eine Zweiergruppe. Sie schlugen ihr Lager am Ufer auf, nah bei einem sandigen, leeren Strand. Dort warteten sie auf den vorhergesagten Durchbruch.
Tage vergingen. Das Wetter war gut, und sie schwammen in dem landumschlossenen Meer, aber es war von Industrieabfällen und Öl verschmutzt. Draußen auf dem Wasser konnten sie sogar Bohrinseln sehen, triste Gebilde, die schwimmenden Fabriken glichen.
Sie arbeiteten. Sie hatten ihre Laptops und Satellitenverbindungen, und sie sprachen mit ihren Kolleginnen und
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