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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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gewaltiger Wasserkörper erleben, wie es sie seit der letzten Vergletscherung, als Schmelzwasser jeden Hohlraum füllte, auf der Erde nicht mehr gegeben hat: die verlorenen großen Seen. Von hier aus wird sich das Meer schließlich nordwärts bis zur Küste der Arktis erstrecken. In Afrika wird der Ozean über den Niger und den Nil ins Innere des Kontinents vordringen und den Mega-Tschadsee wiedererstehen lassen, einen See von der Größe Westeuropas. Und in Nordamerika wird sich der Lake Agassiz wieder bilden, ein gewaltiges Binnenmeer, das sich von Saskatchewan bis Ontario, von North und South Dakota bis nach Minnesota erstreckte. Bilder, die man seit fünfhundert
Menschengenerationen nicht mehr gesehen hat. Schauen wir sie uns an … Übrigens kann man dabei sogar gute wissenschaftliche Arbeit leisten. Selbst wenn niemand jemals mein Buch darüber kaufen wird.«
    Aber Gary hatte sich bereits etwas anderes überlegt. Er konnte weiterarbeiten, ganz gleich, wohin er ging: Mitten in einer globalen Transformation gab es überall Daten zu sammeln. Er würde weiterhin zur weltweiten Gemeinschaft der Beobachter gehören. Doch seine Entscheidung stand fest: Er wollte nach Amerika zurückkehren. Seine Mutter war gestorben, und er hatte keine näheren Angehörigen dort. Aber vielleicht konnte er Lily helfen, Helens Baby zu finden. Im tiefsten Innern, stellte er fest, fühlte er sich zu Menschen hingezogen, nicht zu Spektakeln.
    Mit siebenundzwanzig Jahren wollte er nach Hause. Er versuchte, es ihr zu erklären. Thandie bedrängte ihn nicht.
    Das Meer rückte immer weiter vor und stieg, bis es den Saum ihrer Hosen durchtränkte. Ein Dutzend Meter entfernt starrte ein Schaulustiger enttäuscht auf das Wasser. »Ist das alles? Was für ein Reinfall«, riefen sie.

44
    FEBRUAR 2020
    Aus Kristie Caistors Sammelalbum:
    Als Bennie Thornton sich in Omaha dem Kreuzzug anschloss, wusste er nicht viel über dessen Ziele. So weit es ihn betraf, war es ein heiliger Krieg, eine Gelegenheit, sich ein wenig Gnade zu verdienen, indem man den Muslimen eine verpasste, bevor die Welt schließlich zum Teufel ging.
    Tatsächlich, so erfuhr er während seines Einführungs- und Ausbildungskurses, war der Krieg in Jerusalem Bestandteil eines grandiosen Plans, der von einer amerikanischen Gruppe christlicher Fundamentalisten namens »Die Dritten Templer« ersonnen worden war - eines Projekts, das darauf abzielte, die Apokalypse herbeizuführen.
    Kristie googelte ein wenig und stellte fest, dass die religiösen Reaktionen auf die Flut allein schon innerhalb des Christentums komplex und vielseitig waren. Wie sollte sich ein Christ in diesen außergewöhnlichen Zeiten verhalten? Manche Kommentatoren zitierten Bibelstellen, welche die These stützten, die Frommen sollten ihre Anstrengungen darauf konzentrieren, dafür zu sorgen, dass sie selbst und andere zu den Erlösten gehörten. Anhänger des modernen »Wohlstandsevangeliums«, die der Überzeugung waren, Gott belohne Glauben mit Reichtum und materiellem Erfolg, vertraten die Ansicht, nun sei die Zeit gekommen, diesen gottgegebenen
Reichtum zu nutzen, um hoch gelegenes Land aufzukaufen und diejenigen, die weniger wert waren, ertrinken zu lassen. Und die amerikanische National Association of Evangelicals initiierte Aufrufe an die Regierung, diverse Maßnahmen bezüglich der Flut und ihrer Auswirkungen zu ergreifen, so wie sie einst dazu aufgefordert hatte, wegen des Klimawandels zu handeln - Maßnahmen, die, wie sie behauptete, vollständig mit dem Christentum vereinbar seien.
    Allmählich gewann eine ökumenische Kampagne katholischer und protestantischer Kirchenführer an Zugkraft, die der Meinung waren, dass egoistische Handlungen den grundlegenden christlichen Lehren der Selbstverleugnung, der Demut und der Nächstenliebe widersprachen. Sie wiesen auf Jesus Christus und seine Worte hin: »Und wie ihr wollt, dass euch die Leute tun, ebenso sollt auch ihr ihnen tun.« (LUKAS 6, 31) Das war zweifellos ein Auftrag, den Opfern der Flut zu helfen, einer Flut, die Menschen mit begrenzten finanziellen Mitteln - beispielsweise die armen Bewohner von Barackensiedlungen und Flussdeltas - unverhältnismäßig stärker betraf als andere. Führende Persönlichkeiten weiterer großer Religionen entwickelten ähnliche Argumentationsmuster.
    Kristie hatte den Eindruck, dass die Religionen im Allgemeinen eine Menge taten, um moralische und materielle Unterstützung für die enormen Hilfsanstrengungen zu

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