Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood
Soap-Darsteller zurück.
Lily verstummte und trank noch einen Schluck Wodka. Dann sagte sie: »Also - Kristie.«
Amanda zog die Augenbrauen hoch. »Sie will irgendwas. Das ist der einzige Grund, weshalb sie jemals Kontakt zu mir aufnimmt. Ansonsten bin ich auf Berichte der AxysCorp-Cops angewiesen, wenn ich wissen will, was sie so tut. Juan hat Zugang zu ihrer Datei im polizeilichen Informationssystem. Erstaunlich, wie viel man auf diese Weise über jemanden herausfinden kann.«
»Also wirklich. Kristie ist doch keine Verbrecherin.«
»Vielleicht nicht, aber letzten Monat war ihr kleiner Quechua-Freund nur noch einen Millimeter von einer Verurteilung wegen Behinderung von Kartoffellieferungen aus dem Titicaca-Gebiet entfernt. Was für ein Idiot! Ich musste meine Beziehungen zu Juan spielen lassen, um ihn nach Chosica versetzen zu lassen, zum Archen-Projekt. Sonst wäre er exiliert worden.«
Exiliert - also verbannt aus sämtlichen Anden-Gemeinschaften unter Lammocksons direkter oder indirekter Kontrolle und folglich in eine Finsternis von Chaos, Hunger, Flucht und Krankheit gestoßen.
»Und Kristie hat er natürlich mitgenommen. Selbst wenn er ins Exil geschickt worden wäre, hätte sie mitkommen müssen. Oh, ihr wäre nichts anderes übriggeblieben. Dafür hätte Juan schon gesorgt. Er ist ein großer Unterstützer des Neuen Bundes, weißt du. Für ihn ist jetzt alles nur noch schwarz oder weiß. Hätte Ollantay nicht einen Rest von gesundem Menschenverstand an den Tag gelegt und einen Rückzieher gemacht, hätte ich Juan nicht überreden können, ihn oder Kristie zu verschonen. Warum sollte er auch?« Amanda trank einen weiteren kräftigen Schluck von ihrem Wodka und stellte das Glas auf die Armlehne des Sofas. Aus dem Nichts erschien Jorge mit einem neuen, vollen Glas, das er geschickt gegen das andere austauschte; Tau bildete sich auf dem gekühlten Kristall.
»Aber diesmal ist es anders«, sagte Lily. »Ich meine, sie hat Kontakt zu mir und zu dir aufgenommen. Vielleicht hat sie Neuigkeiten anderer Art. Oder vielleicht will sie uns einfach nur sehen …«
»Du träumst wohl.«
»Fahren wir zusammen hin. Ich muss morgen zur Küste runter. Sie organisieren eine weitere Tauchfahrt nach Lima. Sanjay McDonald soll dort sein und die wissenschaftliche Arbeit für Nathan machen.«
»Sanjay wer?«
»Ein Klimatologe. Er war in London. Ein Kollege von Thandie Jones, einer Bekannten von Gary. Soviel ich weiß,
ist Gary immer noch bei Grace, irgendwo in den Staaten. Mit etwas Glück hat Sanjay Neuigkeiten über ihn.«
Erneut driftete Amandas Blick zu der leise gestellten Soap zurück. Im Lauf der Jahre war ihr Interesse an Lilys Verbindungen zu den Barcelona-Geiseln immer geringer geworden. Umgekehrt schienen Lilys Bande zu jenen, die ihre Gefangenschaft geteilt hatten, immer stärker zu werden, während ihre eigene Familie um sie herum in Auflösung begriffen war.
»Nicht so wichtig«, sagte Lily. »Wenn ich zurückkomme, lass uns zusammen Kristie besuchen, du und ich.«
»Du und ich und Michaelmas, meinst du.«
»Piers ist mein Lebensgefährte«, sagte Lily verkniffen. »Er interessiert sich für uns.«
»Er ist ein autistischer Zwangsneurotiker, der sich für Kristie ›interessiert‹.«
»Das ist nur Dummheit. Eine Schwäche. Etwas, womit Piers fertig wird.« Das stimmte durchaus; es war ein Zug, den Piers an sich selbst verachtete.
Lily hatte ihren eigenen, überraschenden Anflug von Groll wegen seiner Gefühle für Kristie längst überwunden. Sie wusste, dass Piers sie nie geliebt hatte und nie lieben würde; tatsächlich war sie zu der Überzeugung gelangt, dass er trotz einer Scheidung und einiger gescheiterter Beziehungen zuvor noch niemanden wirklich geliebt hatte. Irgendwie, aus irgendeinem Grund, vermutlich als Ergebnis der letzten unerträglichen Jahre, hatte er sich auf Kristie fixiert, ein Mädchen, das er kaum kannte. Aber Piers war jetzt Mitte fünfzig und Kristie erst sechsundzwanzig. Solche Liebe der Alten zu den Jungen war eine Form der Trauer.
Also, wenn ich damit leben kann, dachte Lily, kannst du das auch, Amanda.
Aber sie wusste, dass Amanda nicht nur wegen Piers’ sonderbarer, sehnsuchtsvoller Fixierung auf Kristie Probleme mit ihm hatte. Nein, Amanda gab ihm inzwischen auch die Schuld daran, dass Benj an jenem Tag in Pizarroville im Kreuzfeuer den Tod gefunden hatte. Piers war offiziell für die Sicherheitsoperation verantwortlich gewesen - er bekannte sich voll und ganz zu
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