Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood
kommt.«
» Warum wissen Sie das nicht? Wie hoch kann das Wasser noch steigen? Die Regierung verfügt über keine Hochrechnungen - oder will sie nicht veröffentlichen.«
»Die noch existierenden Regierungen haben, so viel ich
weiß, keine glaubwürdigen Modelle. Selbst in Denver verschließen sie die Augen vor den schlimmsten Möglichkeiten - sie wollen nicht in eine Zukunft schauen, mit der sie nicht mehr fertig werden können. Das Ganze ist zu einer ideologischen Frage geworden, ähnlich wie bei den früheren Auseinandersetzungen über den Klimawandel. Regierungsberater sind Flutleugner, weil die Politiker nichts davon hören wollen, selbst wenn ihnen das Wasser um die Füße schwappt. Und wenn man sich der Realität verschließt, führt das zu einer schlechten Wissenschaft.«
»Und was sagt die gute Wissenschaft?«
»Die Daten sind lückenhaft. Wie immer. Außerdem werden sie von lokalen Schwankungen, Hotspots und anderen Effekten überlagert. Genießen Sie das, was ich sage, also mit Vorsicht …«
»Ich bin kein Dummkopf, Miss Jones. Sagen Sie mir, was Sie glauben.«
»Der Meeresspiegelanstieg beschleunigt sich immer noch. Wir müssen uns offenbar mit einem langfristigen Wachstumsparadigma abfinden. Während der letzten fünf Jahre hat sich der Anstieg ziemlich genau an eine exponentielle Zuwachsrate von vierzehn Prozent pro Jahr gehalten. Aber das Wachstum akkumuliert sich natürlich.«
Lone Elk schnitt eine Grimasse. »Ich betreibe Casinos. Was Zinseszinsen sind, weiß ich. Das bedeutet eine Verdopplung des Anstiegs alle fünf Jahre. Und wenn das so weitergeht …«
»Sie können es sich ausrechnen.«
Lone Elk schüttelte den schweren Kopf und legte erneut die Fingerspitzen aneinander. Er sah nicht so schockiert aus,
wie Gary vielleicht erwartet hätte. »Dann muss ich dafür planen.«
»Das würde ich auch sagen, ja. Ich habe einen detaillierteren Bericht für Sie auf meinem Laptop.«
Er tat das mit einer Handbewegung ab. »Später. Haben Sie Kinder, Doktor Jones?«
»Nein.«
»Wenn Sie welche hätten, wäre es schwerer für Sie, das Leiden der Welt mit anzusehen.«
»Da mögen Sie recht haben. Ich hoffe jedoch, ich würde trotzdem meinen Job erledigen.«
»Ja. Aber ich habe Kinder. Und mein Job ist anders als Ihrer. Meine Pflicht …«
Sie unterhielten sich weiter.
Die Nacht brach herein, und der Lichtschein der Laterne erfüllte das Zelt. Michael kochte neuen Kaffee. Nach einer Stunde begann Gary sich zu fragen, wie es mit Essen aussah.
Und nach einigen weiteren Stunden rief Grace ihn auf seinem Handy an und erklärte, sie schlafe heute Nacht bei ihrer Freundin Karen.
54
JUNI 2029
Aus Kristie Caistors Sammelalbum:
Schwester Maria Assumptas wackelig in die Luft gereckte Webcam vermittelte einen anschaulichen Eindruck von den Menschenmengen, die um die monumentalen Ruinen der römischen Kaiserpaläste auf dem Palatin wimmelten. Und hin und wieder, wenn die Kamera wild schwankte, erhaschte man einen flüchtigen Blick auf das restliche Rom, das zu großen Teilen unter Wasser stand; die alte Stadt war wieder auf ihre ursprünglichen sieben Hügel reduziert.
Italienische Polizisten, die überall auf dem Palatin stationiert waren, sahen nervös zu. Lange Erfahrung hatte sie gelehrt, dass die Frommen sich nicht unbedingt anständig benahmen, und ein Wogen oder, noch schlimmer, eine Stampede konnte katastrophale Folgen haben. Außerdem bestand an Tagen wie diesem immer die Möglichkeit eines terroristischen Anschlags.
Der Lärm des Hubschraubers brach plötzlich über die Menge herein.
Schwester Marias suchende Kamera fing ein verschwommenes Bild von Ruinen und blauem italienischem Himmel ein. Dann fand sie den Chopper, der mit einer Kombination aus den Farben der italienischen Polizei und päpstlichem Gelb geschmückt war.
Der Hubschrauber ließ einen Käfig zum flavischen Palast herunter. Und als der Käfig wieder nach oben stieg, fuhr der Heilige Vater in die Luft empor, umringt von Kardinälen und Leibwächtern in schwarzen Anzügen, das Gewand strahlend weiß, die Hand zum Segensgruß erhoben. Ein gewaltiges Gemurmel erhob sich in der Menge, eher ein Stöhnen als ein Schrei, und das Mikrofon der Webcam fing Schwester Marias eigene leise, im Maschinengewehrtempo auf Irisch hervorgestoßene Gebete ein.
Es hieß, der Papst würde jetzt in seine Heimat zurückkehren, nach Amerika; er würde sich weiterhin mit Hilfe moderner Kommunikationsmittel an seine globale Gemeinde wenden. Aber
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