Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood
hinzu. Lily eilte hinüber. Sie hoffte, die Männer trennen zu können, bevor Schüsse fielen.
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Aus Kristie Caistors Sammelalbum:
Lammocksons Arche-Drei-Projekt wurde von einer weltweiten Organisation Gleichgesinnter unterstützt, die sich aus dem alten LaRei-Club reicher Leute zu einem Überlebenden-Netzwerk von Ressourcenströmen und weitergegebenen Informationen entwickelt hatte. Und so, wie Lammockson von seinen Kollegen unterstützt wurde, so unterstützte er wiederum andere Initiativen. Lammocksons Projekt erregte Kristies Neugier ebenso wie die anderen LaRei-Projekte, die in aller Welt durchgeführt wurden. Sie versuchte, sich in seine Systeme zu hacken, durchforstete seine internen Nachrichtenkanäle nach Informationsschnipseln.
Ein Video aus einem Astronomielager auf dem Cerro Pachon, einem Gipfel in den chilenischen Anden, faszinierte sie besonders. In der klaren Luft dort oben waren seit Beginn des Jahrhunderts nicht weniger als drei große Teleskope im Einsatz: Gemini South, SOAR und das riesige Large Synoptic Survey Telescope, das mehrmals pro Woche den gesamten Himmel absuchen konnte. Da das Observatorium - relativ gesehen - in Nathans Nachbarschaft lag, übernahm er es, die Versorgung der Astronomen aufrechtzuerhalten, wobei er sich permanent auf neue Gegebenheiten einstellen und improvisieren musste, weil die Flut Straßen,
Flughäfen und Eisenbahnverbindungen im Tiefland überspülte.
Kristie, die sich mehr für andere Archen interessierte, verweilte nicht lange bei den Bildern eingemummelter Astronomen, die unter spektakulären, von vergletscherten Gipfeln umrahmten Himmeln arbeiteten. Sie fragte sich jedoch, weshalb eine Gemeinschaft der Reichen in Zeiten einer weltweiten Flut wohl Gelder fürs Absuchen des Himmels zur Verfügung stellte.
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JULI 2035
»Mein Name ist Gary Boyle.«
»Tut mir leid, Kumpel, du stehst auf keiner meiner Listen.«
»Ich kenne Nathan Lammockson. Er hat mir geholfen - ich war eine der Geiseln in Barcelona. Er hat uns rausgeholt und versprochen, uns zu unterstützen …«
Aber dieser Koka kauende Wachposten, dessen Gesicht von einer riesigen Sonnenbrille verborgen wurde, sah zu jung aus, als dass er von Gary oder auch nur von Barcelona gehört haben konnte.
Und die Einfriedung, die er und seine Kameraden schützten, war gute drei Meter hoch und bestand aus Betonplatten, die von Stacheldraht gekrönt und mit Maschinengewehrtürmen bestückt waren. Sie erstreckte sich von einem glasklaren Anden-Horizont zum anderen. Dies war die Grenze von Project City, von Lammocksons Reich. Und sie blieb für Gary Boyle verschlossen.
Sie waren allein in einer riesigen, leeren Landschaft - die Vorhut von Walker City, angeführt von Gary, Grace und Domingo, die AxysCorp-Wachen, die hinter ihrer Mauer heraus ge kommen waren, um die Sache mit ihnen zu regeln, und eine Handvoll Einheimischer, junge Anden-Männer in farbenfrohen Wollponchos, die müßig dabeistanden und
zusahen. Gary, schwindlig von der Höhe, war verzweifelt. Sein Handy war seit Monaten tot. Wenn die Wachen ihn nicht passieren ließen, hatte er keine Möglichkeit, mit Lily Kontakt aufzunehmen.
»Ich bin Gary Boyle! Ich kenne Lily Brooke! Und das ist Grace, Grace Gray! Wir haben zwei Kontinente durchquert, um hierherzukommen. Der Marsch hat mein Leben aufgezehrt. Ich bin dreiundvierzig Jahre alt. Mein ganzes verdammtes Leben. Aber jetzt sind wir hier, jetzt brauchen wir Hilfe.« Absurderweise war ihm zum Heulen zumute.
»Du siehst doch, wie die Dinge stehen, mein Freund.« Gary fragte sich, wie es dem Burschen gelungen war, sich einen Brooklyn-Akzent zuzulegen. Beim Untergang New Yorks konnte er nicht älter als fünf gewesen sein. »Wir haben keinen Platz mehr. Wir haben keinen Platz für euch . Nur weil du mit ein paar Namen um dich werfen kannst, ändert das nichts daran. Mr. Lammockson ist in aller Welt berühmt, jeder kann sagen, dass er ihn kennt, stimmt’s?« Der Wachposten beugte sich näher zu Gary. »Und ich will dir noch was sagen. Selbst angenommen, du und deine Freundin hier wärt wirklich Kumpels von Mr. Lammockson, selbst angenommen, ihr könntet es beweisen, kämt ihr mit eurem Pennerheer trotzdem nicht rein.«
»Wenn Sie Lily Brooke einfach nur eine Nachricht übermitteln könnten …«
»Nein.« Der Wachposten wurde jetzt laut, um seine Autorität geltend zu machen. »Ich bin doch nicht dein Botenjunge. Aber ich habe eine Nachricht für dich . Die kannst du deiner ›Bürgermeisterin‹
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