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Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sayo Masuda
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machte.
    Takemi war, seit ich in dieses Haus gekommen war, jeden Morgen, wenn sie aufstand, am ganzen Leib aufgedunsen, wahrscheinlich, weil sie wegen einer Geschlechtskrankheit an Bauchfellentzündung litt. Sie hatte eine ungesunde Gesichtsfarbe, eine markante Nase und schöne Augen. Sie behandelte mich zwar nicht boshaft, war aber dafür auch nicht lieb zu mir. »Otei« hat sie mich jedoch wohl kein einziges Mal gerufen. Sie war immer etwas träge und wurde von der Mutter dauernd angeraunzt, schien sich jedoch nicht das geringste daraus zu machen, sondern setzte immer nur ein nichtssagendes Lächeln auf. Ich kann aber diese Geisha keineswegs für dumm ansehen. Ja, nicht nur das; mir will heute vielmehr scheinen, daß sie von allen wohl die Klügste war. Ihr Bauch war angeschwollen, und sie sagte, es tue ihr weh, wenn sie etwas esse. Takechiyo konnte das nicht mit ansehen und riet ihr:
    »Du solltest zum Arzt gehen. Wenn du so weitermachst, bist du bald tot!«
    Sie antwortete aber mit ausdruckslosem Gesicht:
    »In so einer Welt gibt es nichts, was mich reizen könnte. Je schneller man stirbt, desto eher hat man es besser, nicht wahr? Zu sterben ist das Paradies, und zu leben ist die Hölle, heißt es doch, und ich habe Lust, das Paradies bald zu erreichen.«
    Man sagt, der Bambus bekomme nur einmal in wer weiß wie vielen Jahren oder gar Jahrhunderten Blüten und trage Früchte, und wer das erlebe, der werde sein ganzes Leben lang glücklich sein. Ich habe gehört, daß sie sich deswegen den Namen Takemi (Bambusfrucht) zugelegt hat, aber ob das wirklich stimmt …?
    Shizuka war eine Schönheit, die einem Genre-Bild entsprungen sein könnte, affektiert und geschwätzig. Weil sie Dinge, die sie aus Reden anderer aufgeschnappt hat, ausplaudert, als wüßte sie über alles Bescheid, wird sie von Takechiyo zurechtgewiesen:
    »Du Windbeutel, halt die Klappe!«
    Dann schnappt sie ein und zieht hinter ihrem Rücken über sie her: »Was hast du schon zu sagen! Dabei machst du nicht mal ordentlich Umsatz!«
    Sie las außerdem gern Romane, und wenn sie freie Zeit hatte, lag sie auf dem Bauch und war in die Lektüre vertieft. Alle sagten, sie lese den »Zenigata Heiji«, und ich hörte, das seien alles zusammen 20 Bände. Wenn sie gut gelaunt war, las sie mir daraus vor und sagte mit glänzenden Augen und voller Begeisterung:
    »Ist er nicht wundervoll? Wenn es so einen auf der Welt gäbe, auf den würde ich absolut fliegen! Der gefällt mir! Wenn ich mir den Inspektor Heiji vorstelle, ist es um mein Herz geschehn!«
    Ich konnte mir damals nicht mal vorstellen, daß Romane der Phantasie ihrer Autoren entspringen, und sagte daher furchtsam, um ihr zu schmeicheln:
    »Ich möchte ihn auch kennenlernen. Wenn du ihn triffst, dann zeig ihn mir doch mal!«
    »Was bist du doch für eine dumme Liesel! Und so was will Geisha werden, da kann ich nur Mitleid haben!«
    Ich wurde garstig ausgelacht, und weil sie es allen weitererzählte, war ich für eine gute Weile Zielscheibe des Gespötts und beschloß, lieber gar nichts mehr zu sagen. Obwohl ich eigentlich noch von nichts eine Ahnung hatte, kam ich doch langsam zu der Überzeugung, daß ich halt ein Dummkopf sei.
    Shizuka war launisch, und wenn du glaubst, jetzt streichelt sie dir über den Kopf, haut sie dir im nächsten Moment einerunter. Und einmal im Monat heult sie sich aus. Wenn ich den anderen sage »die Shizuka weint!«, antworten die, »dann laß sie in Ruhe!«, und niemand geht weiter drauf ein. Und wenn an diesem Tag Kunden betreut werden müssen, trödelt sie herum und geht dann schließlich heulend hin.
    Ich war überzeugt, wenn jemand weint, dann muß er bitteren Kummer haben, und sagte deswegen eines Tages der Mutter, daß Shizuka weint.
    »Da kann man nichts machen, bei der. Einmal im Monat, wenn's über sie kommt, muß sie sich halt ausheulen. Die hat die Heulkrankheit.«
    Das mit der Heulkrankheit ist eine Lüge, Tränen kommen nicht von selbst, dachte ich.
    »Dann muß man doch einen Arzt rufen«, sagte ich und war gespannt, wie die Mutter reagieren würde.
    »Wie konnte ich nur so jemand wie dich einstellen? Du bist zu überhaupt nichts zu gebrauchen! Also gut, ruf die Shizuka her!« sagte die Mutter mit entsetzlich saurem Gesicht. Zur Mutter gerufen, mußte Shizuka ein Riesendonnerwetter über sich ergehen lassen, und ich wollte mir in den Bauch beißen vor Reue, weil das, was ich doch nur gut gemeint hatte, so gründlich danebengegangen war. Da mir so was nahegeht,

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