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Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sayo Masuda
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mich mit Wehmut an die Zeit, als ich das Kind des Großgrundbesitzers hütete. Man sagt, daß Katzen im Sommer und im Winter immer den Platz finden, an dem es am angenehmsten ist. Das konnte ich auch. Ich habe es mit dem Baby auf dem Rücken immer verstanden, im Schatten von Bäumen zu laufen, wo ein kühler Luftzug weht. Dazu war ich beim Kinderhüten beinahe pudelnackt herumgelaufen. Jetzt aber wurden auch die Lehrmädchen, weil sie, wie es hieß, doch zukünftige Geisha sind, in richtige Sommer-Kimonos gesteckt, und bei den Tanzstunden floß der Schweiß in hellen Strömen; mein ganzer Körper war mit Hitzepöckchen übersät. Obendrein wurde ich mit einem Auftrag nach dem andern überhäuft und mußte den ganzen Tag über, »jawohl« hier und »jawohl« da, herumsausen. Ich hatte nicht mal Zeit, mir den Schweiß abzuwischen.
    Die »Mutter« im Geisha-Haus brachte ziemlich garstige Sachen fertig, aber der »Vater« war ein stiller Mensch, der oft zur Mutter gewandt brummte:
    »So weit brauchst du's doch nicht zu treiben!«
    Allerdings war er offenbar nicht zu heftigen Vorwürfen imstande, und wenn er von ihr gesagt bekam: »Was verstehst du denn schon davon?«, dann verstummte er eingeknickt und tat so, als ob er nichts sähe.
    Viel später erst habe ich erfahren, daß die Mutter früher selbst Geisha gewesen ist und dabei den Vater kennenlernte. In seiner Familie war herausgekommen, daß er Geisha aushielt, und er war enterbt worden, weil er das Familienvermögen verschwende. Weil die Mutter verliebt in ihn war, hatte sie gesagt, sie wolle bei ihm bleiben, was auch immer geschehe. Sie machte sich an den Patron des Geisha-Hauses, in dem sie war, heran, verführte ihn und fing dann an zu lamentieren, sie könne nicht länger in einem Haus bleiben, dessen Patron sich an ihr vergreife. Sie machte ein so wildes Theater, daß sie am Ende sogar ihre Kreditschuld erlassen bekam. Danach arbeitete sie als Dienstmädchen in einer Gastherberge, beklaute die Gäste und durchsuchte noch deren Betten nach Geld, das sie ansparte und damit ihren jetzigen Betrieb eröffnete.
    – Soweit die Gerüchte. Falls das wahr sein sollte, glaube ich schon, daß ich heute die Einstellung meiner Patronin verstehen kann.
    Meine vier Geisha-Schwestern
    Im Hause Takenoya wohnten vier Geisha. Takechiyo war am längsten da und war, obwohl sie sich nicht gerade glänzend verkaufte, giftig und angeberisch. Wenn sie betrunken nach Hause kam, rüttelte sie mich jedesmal mitten in der Nacht wach und schickte mich Zigaretten kaufen.
    Ich finde, sie hätte sich durchaus welche auf Vorrat kaufen können, wenn sie der Ansicht war, es reiche nicht für denganzen Tag, aber sie fand anscheinend überhaupt nichts dabei, andere damit zu belästigen.
    Wenn ich aufstehe und losziehe, finde ich natürlich morgens um 2 oder 3 Uhr keinen Tabakladen, der noch aufhat. Auch Takechiyo hätte das aus ihrer Lehrmädchenzeit, als sie selber zum Einkaufen geschickt worden war, wissen sollen, aber wenn ich zurückkomme und sage »der ist wegen mir nicht aufgestanden«, giftet sie mich an:
    »Dann stell dich da hin, bis er aufmacht!«
    Mir bleibt also nichts anderes übrig, als mich vor den Laden zu stellen, und wenn ich nach einer Weile anfange zu heulen, kommt ein Betrunkener den Weg entlang und fragt mich, warum ich denn so heule, und ich erzähle ihm die Geschichte. Da holt der eine angebrochene Schachtel raus, in der fünf oder sechs Stück drin sind, und schenkt sie mir. Dadurch habe ich gelernt, in solchen Fällen Betrunkene zu suchen und ihnen was vorzuheulen.
    Karuta war sehr nett. Sie hat mich am freundlichsten von allen behandelt und mir auch oft Süßigkeiten mitgebracht.
    Einmal habe ich eine Teeschale der Mutter zerbrochen, und als ich zitternd dastand und keinen Mut hatte, zu gehen und um Verzeihung zu bitten, weil ich wieder ein Donnerwetter befürchtete, fragte Karuta:
    »Was hast du denn?«
    Ich zeigte ihr die zerbrochene Schale und bat sie um Beistand.
    »Da brauchst du doch nicht zu weinen«, sagte sie, stellte sich vor mich und sagte mit festem Mut, vor der Mutter die Hände entschuldigend zusammenlegend: »Ich habe was kaputtgemacht. Tut mir schrecklich leid«, und hielt ihr die Scherben hin. Die Mutter erwiderte: »Wenn man alle Missetaten mit einem ›tut mir schrecklich leid‹ bereinigen könnte, wäre die Polizei überflüssig«, setzte ein beleidigtes Gesichtauf, sagte aber sonst nichts weiter. Ich glaube, das lag daran, daß Karuta guten Umsatz

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