Die letzte Generation: Roman (German Edition)
allen ihm zur Verfügung stehenden Instrumenten. Jan vermutete, dass nicht nur wissenschaftliche Neugier den Verwalter antrieb. Vielleicht träumten die Overlords davon, eines Tages ihrer seltsamen Knechtschaft zu entrinnen, wenn sie genug über die Mächte, denen sie dienten, gelernt hatten.
Dass Jan durch das, was er jetzt tat, dieses Wissen vermehren würde, war nur schwer zu glauben. »Berichten Sie uns, was Sie sehen«, hatte Rashaverak gesagt. »Das Bild, das Ihre Augen erreicht, wird von unseren Kameras dupliziert. Aber die Botschaft, die Ihr Gehirn empfängt, könnte ganz anders sein, und sie könnte uns viel sagen.« Auf jeden Fall wollte er sein Bestes tun.
»Noch nichts zu berichten«, begann er. »Vor wenigen Minuten sah ich die Spur Ihres Schiffes am Himmel verschwinden. Der Mond ist nicht mehr ganz voll, und fast die Hälfte der vertrauten Seite hat sich von der Erde abgewandt. Aber ich vermute, das wissen Sie bereits.«
Jan hielt inne und kam sich etwas töricht vor. In dem, was er jetzt tat, war etwas Ungereimtes, beinahe Widersinniges. Diese Stunde war die Klimax der gesamten menschlichen Geschichte, und doch kam er sich vor wie ein Rundfunksprecher bei einem Pferderennen oder einem Boxkampf. Dann schob er diesen Gedanken mit einem Schulterzucken beiseite. In allen großen Augenblicken war falsches Pathos nie fern gewesen, vermutete er, und zweifellos war er hier der Einzige, der es so empfand.
»In der letzten Stunde hat es drei leichte Erdbeben gegeben«, fuhr er fort. »Ihre Herrschaft über die Drehung der Erde muss wunderbar sein, aber sie ist nicht ganz vollkommen... Sie müssen wissen, Karellen, dass es für mich sehr schwierig ist, etwas zu sagen, was Ihre Instrumente Ihnen nicht schon gemeldet haben. Es wäre nützlich gewesen, wenn Sie mir angedeutet hätten, was ich zu erwarten habe und wie lange ich vielleicht warten muss. Wenn sich nichts ereignet, setze ich meinen Bericht in sechs Stunden fort, wie wir vereinbart haben ...
Hallo! Sie müssen darauf gewartet haben, dass Sie fortgehen. Hier geschieht etwas. Die Sterne werden matter. Es sieht aus, als würde eine große Wolke heraufziehen und sehr schnell den ganzen Himmel bedecken. Aber es ist keine gewöhnliche Wolke. Sie scheint eine Struktur zu haben. Ich erkenne verschwommen ein Netz aus Linien und Bändern, die dauernd ihre Stellung ändern. Es ist beinahe, als hätten sich die Sterne in einem gespenstischen Spinnennetz verfangen.
Nun glüht das ganze Netz, in pulsierendem Licht, als wäre es lebendig. Und ich vermute, das ist es auch. Oder steht es so hoch über dem Leben wie das Leben über der anorganischen Welt?
Das Leuchten scheint auf einen anderen Teil des Himmels überzugreifen ... warten Sie eine Minute, während ich zum anderen Fenster gehe.
Ja, ich hätte es mir denken können. Da ist eine große, brennende Säule, wie ein Baum aus Feuer, der über dem westlichen Horizont aufragt. Er ist weit entfernt, auf der anderen Seite der Welt. Ich weiß, wo er seine Wurzeln hat. Sie sind endlich auf dem Weg, zu einem Teil des Übergeistes zu werden. Ihre Probezeit ist beendet, sie lassen die letzten stofflichen Reste zurück.
Während sich das Feuer von der Erde aufwärts ausbreitet, kann ich sehen, wie das Netz fester und klarer wird. An manchen Stellen sieht es fast solide aus, aber die Sterne scheinen immer noch matt hindurch.
Eben habe ich etwas begriffen, Karellen. Es ist nicht genau das Gleiche, aber was ich über Ihrer Welt emporsteigen sah, war diesem hier sehr ähnlich. War das ein Teil des Übergeistes? Ich nehme an, Sie haben mir die Wahrheit vorenthalten, damit ich keine vorgefasste Meinung habe und ein vorurteilsloser Beobachter bin. Ich würde gerne wissen, was Ihre Kameras Ihnen jetzt zeigen, um es mit dem zu vergleichen, was mein Geist sich vorstellt, was er sieht.
Spricht es auf diese Weise zu Ihnen, Karellen, in solchen Farben und Formen? Ich erinnere mich an die Bildschirme in Ihrem Schiff und die Muster, die sich darauf zeigen und zu Ihnen in einer visuellen Sprache reden, die Ihre Augen lesen können.
Jetzt sieht es genauso aus wie die Wolken der Morgenröte, die über die Sterne tanzen und flimmern. Und das ist es ja auch in Wirklichkeit, davon bin ich überzeugt – ein großer Morgensturm. Die ganze Landschaft ist erleuchtet, es ist heller als am Tag. Rote, grüne und goldene Tönungen jagen über den Himmel ... ach, es ist mit Worten nicht zu schildern, es erscheint mir ungerecht, dass ich
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