Die letzte Generation: Roman (German Edition)
warteten und was geschehen würde, wenn ihre Geduld endlich belohnt wurde.
Doch die meiste Zeit saß er, mit einer zufriedenen Ergebenheit, die einen Menschen für gewöhnlich erst am Ende eines langen und geschäftigen Lebens überkam, vor den Tasten und erfüllte die Luft mit seinem geliebten Bach. Vielleicht machte er sich nur etwas vor, vielleicht war es nur eine gnädige List seines Geistes, aber jetzt schien es Jan, als hätte er sich schon immer gewünscht, genau das zu tun. Sein geheimer Ehrgeiz hatte sich endlich ans volle Licht des Bewusstseins gewagt.
Jan war immer ein guter Klavierspieler gewesen – jetzt war er der beste der Welt.
24
R ashaverak brachte Jan die Nachricht, doch er hatte sie bereits erwartet. In den frühen Morgenstunden hatte ihn ein Albtraum geweckt, und er hatte nicht wieder einschlafen können. Er vermochte sich nicht auf den Traum zu besinnen, was sehr seltsam war, denn er glaubte, dass sich alle Träume ins Gedächtnis rufen ließen, wenn man es unmittelbar nach dem Aufwachen nur energisch genug versuchte. Er konnte sich nur daran erinnern, dass er wieder ein kleiner Junge gewesen war und auf einer weiten, leeren Ebene einer mächtigen Stimme gelauscht hatte, die in einer unbekannten Sprache rief.
Der Traum hatte ihn beunruhigt. Er fragte sich, ob es der erste Angriff der Einsamkeit auf seinen Geist war. Ruhelos verließ er die Villa und trat auf den vernachlässigten Rasen.
Der Vollmond übergoss die Landschaft mit einem so hellen goldenen Licht, dass er alles deutlich sehen konnte. Der riesige, glänzende Zylinder von Karellens Schiff lag hinter den Gebäuden, die den Stützpunkt der Overlords bildeten, ragte hoch über ihnen auf und ließ sie klein wie Menschenwerk erscheinen. Jan betrachtete das Schiff und versuchte die Gefühle zurückzurufen, die es einst in ihm erweckt hatte. Es hatte eine Zeit gegeben, da es ein unerreichbares Ziel gewesen war, ein Symbol all dessen, was er nie zu verwirklichen erwartet hatte. Und jetzt bedeutete es nichts mehr.
Wie ruhig und still es war! Die Overlords waren natürlich genauso aktiv wie immer, aber im Augenblick war nichts von ihnen zu sehen. Es war, als wäre er ganz allein auf der Erde, was er in einem sehr wirklichen Sinne ja auch war. Er blickte zum Mond empor, auf der Suche nach einem vertrauten Anblick, an dem seine Gedanken Halt finden könnten.
Dort oben waren die uralten Mondmeere, an die er sich gut erinnerte. Er war vierzig Lichtjahre weit in den Raum vorgedrungen, und doch war er niemals auf diesen weniger als zwei Lichtsekunden entfernten, staubigen Ebenen umhergewandert. Eine Weile unterhielt er sich damit, den Krater Tycho zu suchen. Als er ihn entdeckte, sah er zu seinem Erstaunen, dass der glänzende Fleck weiter von der Mittellinie der Scheibe entfernt war, als er gedacht hatte. Und in diesem Augenblick bemerkte er, dass das dunkle Oval des Mare Crisium völlig fehlte.
Das Antlitz, das der Satellit jetzt der Erde zukehrte, war nicht dasselbe, das seit der Dämmerung des Lebens auf die Welt niedergeschaut hatte. Der Mond hatte sich ein Stück um seine Achse gedreht.
Das konnte nur eins bedeuten. Auf der anderen Seite der Erde, im Land, das sie so plötzlich des Lebens beraubt hatten, erwachten sie nun aus ihrer langen Trance. Wie ein Kind morgens fröhlich die Arme ausstreckte, um den Tag zu begrüßen, spannten auch sie die Muskeln und spielten mit ihren neu entdeckten Kräften ...
»Sie haben richtig geraten«, sagte Rashaverak. »Für uns ist es nicht mehr sicher, hier zu bleiben. Vielleicht beachten sie uns nicht weiter, aber wir können dieses Risiko nicht eingehen. Wir brechen auf, sobald unsere Ausrüstung verladen ist – wahrscheinlich in zwei oder drei Stunden.«
Er blickte zum Himmel hinauf, als befürchtete er, dass ein neues Wunder auftauchen würde. Doch alles war friedlich. Der Mond war untergegangen, und nur ein paar Wolken segelten hoch oben mit dem Westwind.
»Es hat keine großen Auswirkungen, wenn sie etwas mit dem Mond anstellen«, fügte Rashaverak hinzu. »Aber was ist, wenn sie mit der Sonne spielen? Wir werden natürlich Instrumente zurücklassen, damit wir erfahren, was hier geschieht.«
»Ich werde bleiben«, sagte Jan unvermittelt. »Ich habe genug vom Universum gesehen. Es gibt nur eins, was mir jetzt noch wissenswert erscheint, nämlich das Schicksal meines Heimatplaneten.«
Ganz sanft bebte der Boden unter ihren Füßen.
»Das habe ich erwartet«, fuhr Jan fort. »Wenn
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