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Die letzte Generation: Roman (German Edition)

Die letzte Generation: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Generation: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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kein Fanatiker, aber die Erinnerungen seiner Kindheit schienen in nicht geringem Umfang die Philosophie bestimmt zu haben, die er in die Praxis umsetzte. Er konnte sich noch erinnern, wie die Welt vor der Ankunft der Overlords gewesen war, und er hatte nicht den Wunsch, zu jenem Zustand zurückzukehren. Gleich vielen anderen klugen und wohlmeinenden Menschen wusste er alles zu schätzen, was Karellen für die Menschheit getan hatte, obwohl er sich über die endgültigen Pläne des Verwalters Sorgen machte. War es möglich, fragte er sich bisweilen, dass die Overlords trotz all ihrer ungeheuren Intelligenz die Menschheit nicht wirklich verstanden und aus den besten Beweggründen einen furchtbaren Fehler begingen? Vielleicht hatten sie in ihrer Leidenschaft für Gerechtigkeit und Ordnung beschlossen, die Welt zu reformieren, aber nicht erkannt, dass sie dadurch die Seele des Menschen zerstörten.
    Der Niedergang hatte kaum begonnen, aber die ersten Anzeichen des Verfalls waren schwer zu übersehen. Salomon war kein Künstler, aber er hatte ein sicheres künstlerisches Urteil und wusste, dass sein Zeitalter die Leistungen früherer Jahrhunderte auf keinem einzigen Gebiet zu erreichen vermochte. Vielleicht würden sich die Dinge im Laufe der Zeit einrenken, wenn sich der Schock der Begegnung mit der Zivilisation der Overlords gelegt hatte. Aber es konnte auch anders kommen, und ein vorsichtiger Mann würde daran denken, eine Versicherungspolice zu erwerben.
    Neu-Athen war diese Versicherung. Die Errichtung hatte zwanzig Jahre und einige Milliarden Dezimalpfund erfordert, also einen verhältnismäßig geringen Bruchteil des Gesamtreichtums der Welt. In den ersten fünfzehn Jahren war nichts geschehen, in den letzten fünf alles.
    Salomons Aufgabe wäre undurchführbar gewesen, hätte er nicht eine Hand voll der berühmtesten Künstler der Welt von seinem Plan überzeugen können. Sie hatten ihm zugestimmt, weil die Idee ihr Ego angesprochen hatte, nicht weil sie für die Menschheit wichtig war. Aber nachdem sie überzeugt waren, hatte die Welt auf sie gehört und den Plan moralisch und wirtschaftlich unterstützt. Hinter dieser spektakulären Fassade launischer Talente hatten die wahren Architekten der Kolonie ihre Pläne entworfen.
    Eine Gesellschaft bestand aus menschlichen Wesen, deren individuelles Verhalten nicht voraussehbar war. Aber wenn eine größere Menge von Einheiten zusammenkam, offenbarten sich gewisse Gesetzmäßigkeiten, wie es vor langer Zeit von Lebensversicherungsgesellschaften bemerkt worden war. Niemand konnte sagen, welche Einzelpersonen in einem bestimmten Zeitraum sterben würden, aber die Gesamtzahl der Todesfälle ließ sich mit erheblicher Genauigkeit voraussagen.
    Es gab andere, feinere Gesetze, die erstmals zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts von Mathematikern wie Weiner und Raschaweski erkannt wurden. Sie behaupteten, dass Ereignisse wie Wirtschaftskrisen, die Folgen eines Wettrüstens, die Beständigkeit sozialer Gruppen, politische Wahlen und so weiter durch sorgfältige mathematische Berechnungen analysiert werden konnten. Die große Schwierigkeit war die ungeheure Zahl der veränderlichen Größen, von denen sich viele kaum in zahlenmäßigen Begriffen ausdrücken ließen. Man konnte keine Kurven zeichnen und definitiv feststellen: »Wenn diese Linie erreicht wird, bedeutet es Krieg.« Und man konnte nie vollständig so unvorhersehbare Ereignisse berücksichtigen wie zum Beispiel die Ermordung einer Schlüsselfigur oder die Auswirkungen einer neuen wissenschaftlichen Entdeckung – ganz zu schweigen von Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Überschwemmungen, die eine tiefgreifende Wirkung auf viele Menschen und die sozialen Gruppen, in denen sie lebten, haben konnten.
    Dennoch konnte man viel tun, dank der in den vergangenen hundert Jahren geduldig gesammelten Erkenntnisse. Die Aufgabe wäre undurchführbar gewesen ohne die Hilfe der riesigen Rechenmaschinen, die in wenigen Sekunden die Arbeit von tausend rechnenden Menschen verrichten konnten. Solche Hilfen waren bei der Planung der Kolonie in großem Ausmaß benutzt worden.
    Trotz allem konnten die Gründer von Neu-Athen nur den Boden und das Klima bereitstellen, in dem die Pflanze, die sie heranziehen wollten, vielleicht zur Blüte kommen würde. Wie Salomon selbst bemerkt hatte: »Des Talents können wir uns sicher sein; um das Genie können wir nur beten.« Aber es war eine begründete Hoffnung, dass in einer so konzentrierten

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