Die letzte Generation
er sie auch schwerlich veröffentlichen. Und würde es, selbst wenn er es tut, die Sache im geringsten berühren?«
»Ich werde beide Situationen untersuchen lassen«, erwiderte Karellen. »Obwohl unsere Anweisung dahin geht, unsern Stützpunkt nicht bekanntzugeben, könnte die Auskunft doch in keiner Weise gegen uns benutzt werden.«
»Ich bin der gleichen Meinung. Rodricks besitzt eine Information, deren Wahrheit ungewiß ist und die keinen praktischen Wert hat.«
»So scheint es«, sagte Karellen. »Aber wir wollen nicht allzu unbesorgt sein. Menschliche Wesen sind bemerkenswert erfinderisch und oft sehr hartnäckig. Man sollte sie nie unterschätzen, und es ist interessant, Rodricks Laufbahn zu verfolgen. Ich muß über diese Dinge nachdenken.«
Rupert Boyce kam der Sache nie wirklich auf den Grund. Als seine Gäste sich, weniger lärmend als gewöhnlich, entfernt hatten, schob er den Tisch nachdenklich in seine Ecke zurück. Der leichte alkoholische Nebel hinderte ihn, das Geschehene gründlich zu durchdenken, und selbst die Tatsachen hatten sich schon etwas verwischt. Er hatte die unklare Vorstellung, daß irgend etwas von großer, aber nicht recht greifbarer Bedeutung geschehen sei, und fragte sich, ob er mit Raschaverak darüber sprechen solle. Bei genauerem Überlegen erschien ihm das jedoch taktlos. Schließlich hatte sein Schwager die Verwirrung verursacht, und Rupert war etwas ärgerlich auf den jungen Jan. Aber war es Jans Schuld? Hatte irgend jemand die Schuld? Mit einigen Gewissensbissen erinnerte sich Rupert, daß es sein Experiment gewesen war. Er beschloß, sehr erfolgreich, die ganze Sache zu vergessen.
Vielleicht hätte er etwas tun können, wenn man die letzte Seite von Ruths Notizen hätte finden können, aber sie war in der Aufregung verschwunden. Jan stellte sich unschuldig, und Raschaverak konnte man ja nicht gut bezichtigen. Und niemand würde sich jemals genau erinnern, was da buchstabiert worden war, abgesehen davon, daß es keinen Sinn zu geben schien.
Der am unmittelbarsten Betroffene war George Greggson gewesen. Er konnte nie das Gefühl des Entsetzens vergessen, als Jean in seine Arme sank. Ihre plötzliche Hilflosigkeit verwandelte sie in jenem Augenblick aus einer amüsanten Gefährtin in einen Gegenstand der Zärtlichkeit und Liebe. Frauen waren seit undenklichen Zeiten ohnmächtig geworden, nicht immer ohne Vorbedacht, und Männer hatten unveränderlich in der gewünschten Art und Weise darauf reagiert. Jeans Zusammenbruch war ganz plötzlich gekommen, hätte aber nicht besser geplant sein können. In jenem Augenblick war George, wie er später begriff, zu einem der wichtigsten Entschlüsse seines Lebens gekommen. Jean war endgültig die Frau, auf die es ihm ankam, trotz ihrer sonderbaren Einfälle und ihrer noch sonderbareren Freunde. Er hatte nicht die Absicht, Naomi oder Joy oder Elsa oder – wie hieß sie doch? – Denise völlig zu verlassen, aber jetzt war die Zeit für etwas Beständigeres gekommen. Er zweifelte nicht, daß Jean ihm zustimmen würde, denn ihre Gefühle waren von Anfang an ganz klar gewesen.
Hinter seinem Entschluß stand noch ein anderer Umstand, über den er sich nicht klar war. Das Erlebnis dieses Abends hatte seine Verachtung und seinen Skeptizismus in bezug auf Jeans eigentümliche Interessen geschwächt. Er würde diese Tatsache nie zugeben, aber es war so, und damit war die letzte Schranke zwischen ihnen beseitigt.
Er sah Jean an, wie sie blaß, aber gefaßt im Liegesessel des Flugzeugs lehnte. Unter ihnen war Dunkelheit, über ihnen Sterne. George hatte keine Vorstellung, wo sie sich befinden mochten, und es kümmerte ihn auch nicht. Das war die Aufgabe des Roboters, der ihr Flugzeug nach Hause steuerte und, wie die Schalttafel anzeigte, in siebenundfünfzig Minuten mit ihnen landen würde.
Jean erwiderte sein Lächeln und zog sanft ihre Hand aus der seinen. »Laß mich nur mal den Blutkreislauf wiederherstellen«, bat sie, sich die Finger reibend. »Du mußt mir glauben, wenn ich dir sage, daß ich mich jetzt wieder völlig wohl fühle.«
»Was meinst du denn, was geschehen ist? Du erinnerst dich doch sicherlich an irgend etwas?«
»Nein – es ist eine völlige Leere. Ich hörte Jan seine Frage stellen, und dann machtet ihr alle so viel Lärm um mich … Es war bestimmt eine Art Trance. Schließlich …«
Sie hielt inne; dann beschloß sie, George nicht zu sagen, daß ihr so etwas schon öfter geschehen war. Sie wußte, wie er über
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