Die letzte Generation
vorgefaßte Meinung habe und ein vorurteilsloser Beobachter bin. Ich möchte wissen, was Ihre Kameras Ihnen jetzt zeigen, um es mit dem zu vergleichen, was mein Geist mir vorspiegelt.
Spricht es so zu Ihnen, Karellen, in Farben und Formen wie diesen? Ich erinnere mich an die Bildschirme in Ihrem Schiff und die Muster, die sich darauf zeigten und zu Ihnen in irgendeiner visuellen Sprache redeten, die Ihre Augen lesen konnten.
Jetzt sieht es genau aus wie die Wolken der Morgenröte, die über die Sterne hintanzen und flimmern. Und das ist es ja auch in Wirklichkeit, davon bin ich überzeugt: Ein großer Morgensturm. Die ganze Landschaft ist erleuchtet, es ist heller als am Tag. Rote, grüne und goldene Tönungen jagen einander über den Himmel – oh, es ist mit Worten nicht zu schildern, es erscheint mir ungerecht, daß ich der einzige bin, der es sieht. Ich habe solche Farben nie für möglich gehalten …
Der Sturm erstirbt, aber das große dunstige Netz ist noch da. Ich glaube, daß die Morgenröte nur eine Begleiterscheinung von irgendwelchen Energien war, die dort an der Grenze des Weltraums entfesselt werden …
Einen Augenblick: Ich habe soeben etwas anderes bemerkt. Mein Gewicht nimmt ab. Was bedeutet das? Ich habe einen Bleistift auf den Boden geworfen – er fällt langsam. Irgend etwas ist mit der Schwerkraft geschehen. Jetzt kommt ein starker Wind auf. Ich sehe die Bäume unten im Tal ihre Äste schütteln.
Natürlich – die Atmosphäre entweicht. Stock und Stein steigen zum Himmel auf, fast als wollte die Erde selbst versuchen, ‚jenen’ in den Weltraum zu folgen. Eine große Staubwolke wird vom Sturm aufgewirbelt. Es ist jetzt schwer, irgend etwas zu sehen – vielleicht wird es gleich wieder heller werden, so daß ich sehen kann, was sich ereignet.
Ja, jetzt ist es besser. Alles Bewegliche ist entfernt, die Staubwolken sind verschwunden. Ich frage mich, wie lange dieses Gebäude noch stehen wird. Und es ist schwer zu atmen. Ich muß versuchen, langsamer zu sprechen.
Ich kann wieder deutlich sehen. Die große, brennende Säule ist noch da, aber sie zieht sich zusammen, wird schmaler, sieht aus wie der Trichter eines Tornados, der sich in die Wolken zurückziehen will. Und – dies ist schwer zu beschreiben, aber gerade in diesem Augenblick fühlte ich eine Woge der Erregung über mich hinfluten. Es war nicht Freude oder Trauer, es war ein Gefühl der Erfüllung, der Vollendung. Habe ich es mir eingebildet? Oder kam es von außen? Ich weiß es nicht.
Und jetzt … dies kann nicht alles Einbildung sein … die Welt erscheint leer. Völlig leer. Es ist, als lauschte man auf einen Radioapparat, der plötzlich tot ist. Und der Himmel ist wieder hell … das dunstige Gewebe ist verschwunden. Zu welcher Welt wird es nun gehen, Karellen? Und werden Sie auch dort sein, um ihm weiter zu dienen?
Sonderbar: Alles um mich her ist unverändert. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie hätte ich gedacht, daß …«
Jan hielt inne. Einen Augenblick suchte er nach Worten, dann schloß er die Augen, um seine Selbstbeherrschung zurückzugewinnen. Jetzt war nicht Zeit für Furcht oder Panik: Er hatte eine Pflicht zu erfüllen, eine Pflicht gegen den Menschen und eine Pflicht gegen Karellen.
Zuerst langsam, wie einer, der aus einem Traum erwacht, begann er zu sprechen: »Die Gebäude um mich her, der Boden, die Berge, alles ist wie Glas. Ich kann hindurchsehen. Die Erde löst sich auf. Mein Gewicht ist fast verschwunden. Sie hatten recht: ‚Jene’ haben aufgehört, mit ihrem Spielzeug nur zu spielen.
Es ist nur wenige Sekunden später. Jetzt zergehen die Berge wie Rauchschwaden. Leben Sie wohl, Karellen, Raschaverak. Es tut mir leid um Sie. Obwohl ich es nicht begreifen kann, habe ich gesehen, was aus meiner Rasse geworden ist. Alles, was wir je geleistet haben, ist zu den Sternen emporgestiegen. Vielleicht ist es das, was die alten Religionen zu sagen versuchten. Aber sie sagten es alle falsch: Sie dachten, die Menschheit wäre so wichtig, und doch sind wir nur eine einzige Rasse von – wissen Sie, wie vielen? Jetzt aber sind wir etwas geworden, was Sie nie sein könnten.
Jetzt verschwindet der Fluß. Aber keine Veränderung am Himmel.
Ich kann kaum atmen. Sonderbar, daß der Mond dort oben noch immer scheint. Ich freue mich, daß sie ihn zurückgelassen haben, aber es wird jetzt einsam sein …
Das Licht! Von unten her – aus dem Innern der Erde – leuchtet es herauf, durch die Felsen, durch den Boden,
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