Die letzte Generation
Drucks, der von den sechs Leuten im Kreise auf die Scheibe ausgeübt wurde. Sie glitt in einer kleinen Acht herum und blieb dann im Mittelpunkt wieder still liegen.
»Ist hier jemand?« wiederholte Rupert. Mehr im Unterhaltungston fügte er hinzu: »Es dauert oft zehn oder fünfzehn Minuten, bis wir anfangen können. Aber manchmal –«
»Still!« flüsterte Jean.
Die Scheibe bewegte sich. Sie begann, in einem weiten Bogen zwischen den Karten mit der Aufschrift »Ja« und »Nein« zu schwingen. Mit einiger Mühe unterdrückte George ein Lachen. Was würde es denn beweisen, fragte er sich, wenn die Antwort Nein wäre?
Aber die Antwort war »Ja«. Die Scheibe kehrte rasch zum Mittelpunkt des Tisches zurück. Irgendwie schien sie jetzt lebhaft auf die nächste Frage zu warten. Wider Willen begann George beeindruckt zu werden.
»Wer bist du?« fragte Rupert.
Ohne Zögern wurden jetzt die Worte buchstabiert. Die Scheibe schwirrte wie ein denkendes Wesen über den Tisch und bewegte sich so schnell, daß es George bisweilen schwerfiel, seine Finger darauf zu lassen. Er konnte schwören, daß er zu ihrer Bewegung nicht beitrug. Bei einem raschen Rundblick vermochte er in den Gesichtern seiner Freunde nichts Verdächtiges zu sehen. Sie schienen ebenso gespannt und erwartungsvoll wie er selbst.
»Jamall«, buchstabierte die Scheibe und kehrte zu ihrem Gleichgewichtspunkt zurück.
»I am all, ich bin alles«, wiederholte Rupert. »Das ist eine typische Antwort. Ausweichend, aber anregend. Es bedeutet wahrscheinlich, daß hier nichts ist außer unseren vereinigten Geistern.« Er hielt einen Augenblick inne, wobei er offenbar seine nächste Frage überlegte. Dann fragte er wieder in die Luft hinein: »Hast du eine Botschaft für irgendeinen hier Anwesenden?«
»Nein«, erwiderte die Scheibe sofort.
Rupert warf einen Blick in die Runde. »Jetzt liegt es bei uns. Zuweilen gibt es freiwillig Auskünfte, aber diesmal müssen wir bestimmte Fragen stellen. Möchte jemand beginnen?«
»Wird es morgen regnen?« sagte George scherzend.
Plötzlich begann sich die Scheibe zwischen »Ja« und »Nein« hin- und herzubewegen.
»Das ist eine törichte Frage«, tadelte Rupert. »Denn irgendwo wird es regnen, und anderswo wird es trocken sein. Ihr dürft keine Fragen stellen, auf die man doppelsinnig antworten kann.«
George fühlte sich gebührend in Verlegenheit gesetzt und beschloß, die nächste Frage einem andern zu überlassen.
»Welches ist meine Lieblingsfarbe?« fragte Maja.
»Blau«, kam sofort die Antwort.
»Das stimmt genau.«
»Aber es beweist nichts. Mindestens drei Leute hier haben das gewußt«, bemerkte George.
»Welches ist Ruths Lieblingsfarbe?« fragte Benny.
»Rot.«
»Stimmt das, Ruth?«
Die Protokollführerin blickte von ihrem Notizbuch auf. »Ja, das stimmt, aber Benny weiß es, und er sitzt mit im Kreis.«
»Ich habe es nicht gewußt«, widersprach Benny.
»Du müßtest es aber wissen, ich habe es dir oft genug gesagt!«
»Unterbewußtes Gedächtnis«, murmelte Rupert. »Das kommt oft vor. Aber können wir nicht, bitte, etwas intelligentere Fragen stellen? Da es so gut begonnen hat, möchte ich es nicht gern verplempern.«
Sonderbarerweise begann die Trivialität der Erscheinung auf George Eindruck zu machen. Er war überzeugt, daß es keine übernatürliche Erklärung gab. Wie Rupert gesagt hatte, reagierte die Scheibe einfach auf unbewußte Muskelbewegungen. Aber die Tatsache an sich war überraschend und eindrucksvoll. Er hätte nie geglaubt, daß man so genaue, rasche Antworten erlangen könne. Einmal versuchte er, die Scheibe zu beeinflussen, indem er sie seinen eigenen Namen buchstabieren ließ; er bekam das G, aber das war alles. Das übrige war Unsinn. Er kam zu der Erkenntnis, daß es tatsächlich unmöglich war, daß eine einzelne Person die Führung übernahm, ohne daß der übrige Kreis es wußte.
Nach einer halben Stunde hatte Ruth mehr als ein Dutzend Antworten aufgeschrieben, darunter ziemlich lange. Zuweilen waren orthographische und grammatikalische Schnitzer in den Sätzen, aber nur wenige. Auf jeden Fall war George jetzt überzeugt, daß er an den Antworten nicht bewußt mitwirkte, welche Erklärung es nun auch geben mochte. Mehrmals, wenn ein Wort buchstabiert wurde, hatte er den nächsten Buchstaben vorausgeahnt und damit auch den Sinn des Satzes. Aber jedesmal hatte die Scheibe eine ganz andere Richtung genommen und ein ganz anderes Wort buchstabiert. Zuweilen schien auch
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