Die letzte Generation
Sie formte sich zu einem Wirbel von Sternen, einem Spiralnebel, gesehen von einem Punkt weit außerhalb seiner äußersten Sonne.
»Kein menschliches Auge hat bisher jemals dieses Bild gesehen«, ertönte Karellens Stimme aus der Dunkelheit. »Sie sehen Ihr eigenes Universum, die Milchstraßeninsel, der Ihre Sonne angehört, aus einer Entfernung von einer Million Lichtjahren.«
Ein langes Schweigen folgte. Dann fuhr Karellen fort, und jetzt hatte seine Stimme etwas, was nicht ganz Mitleid und nicht geradezu Verachtung war.
»Ihre Rasse hat eine bemerkenswerte Unfähigkeit an den Tag gelegt, mit den Problemen Ihres eigenen, ziemlich kleinen Planeten fertig zu werden … Als wir hierherkamen, waren Sie im Begriff, sich selbst mit den Kräften zu vernichten, die die Wissenschaft Ihnen übereilt gegeben hatte. Ohne unsere Einmischung wäre die Erde heute eine radioaktive Wüste.
Jetzt haben Sie eine friedliche Welt und eine geeinte Rasse. Bald werden Sie zivilisiert genug sein, Ihren Planeten ohne unsern Beistand zu verwalten. Vielleicht könnten Sie unter Umständen die Probleme eines ganzen Sonnensystems meistern, sagen wir von fünfzig Monden und Planeten. Aber bilden Sie sich wirklich ein, daß Sie jemals mit diesem fertig werden könnten?«
Der Nebel dehnte sich aus. Jetzt rasten die einzelnen Sterne vorbei, erschienen und verschwanden so schnell wie Funken eines Schmiedefeuers. Und jeder dieser vergänglichen Funken war eine Sonne mit wer weiß wie vielen kreisenden Welten …
»In dieser unserer Milchstraße«, murmelte Karellen, »gibt es siebenundachtzigtausend Millionen Sonnen. Selbst diese Zahl gibt nur eine schwache Vorstellung von der Unermeßlichkeit des Weltraums. Wollten Sie diesen Versuch machen, wären Sie wie Ameisen, die alle Sandkörner in allen Wüsten der Welt verzeichnen und klassifizieren wollten.
Ihre Rasse kann auf ihrer jetzigen Entwicklungsstufe diese ungeheure Aufgabe nicht meistern. Eine meiner Pflichten war es, Sie gegen die Mächte und Kräfte zu schützen, die zwischen den Sternen liegen, Kräfte jenseits von allem, was Sie sich überhaupt vorstellen können.«
Das Bild der wirbelnden Feuernebel der Milchstraße verschwand: Das Licht kehrte in die plötzliche Stille des großen Raums zurück.
Karellen wendete sich zum Gehen; die Konferenz war vorbei. An der Tür blieb er stehen und blickte auf die stumm gewordene Menge zurück. »Es ist ein bitterer Gedanke, aber Sie müssen ihm ins Auge sehen. Die Planeten können Sie eines Tages besitzen. Aber die Sterne sind nichts für den Menschen.«
»Die Sterne sind nichts für den Menschen.« Ja, es würde sie kränken, daß man ihnen die himmlischen Tore vor der Nase zugeschlagen hatte, aber sie mußten lernen, der Wahrheit ins Auge zu sehen – soweit man ihnen die Wahrheit aus Barmherzigkeit offenbaren konnte.
Von den einsamen Höhen der Stratosphäre blickte Karellen auf die weit und die Menschen nieder, die in seine Hut gegeben waren. Er dachte an alles, was bevorstand, und an das, was diese Welt in kaum einem Jahrzehnt sein würde.
Sie würden nie wissen, wie glücklich sie gewesen waren. Eine Generation lang hatte die Menschheit so viel Glück erreicht, wie nur irgendeine Rasse je besitzen kann. Es war das Goldene Zeitalter gewesen. Aber Gold war auch die Farbe des Sonnenuntergangs, des Herbstes, und nur Karellens Ohren konnten das erste Klagen der Winterstürme hören.
Und nur Karellen wußte, mit welch unerforschlicher Schnelligkeit das Goldene Zeitalter seinem Ende zustürmte.
DRITTER TEIL
Die letzte Generation
1
»Sieh dir das an!« fuhr George Greggson auf und schleuderte Jean die Zeitung zu. Das Blatt legte sich, obwohl Jean sich bemühte, es zu verhindern, müde auf den Frühstückstisch. Jean schabte geduldig die Marmelade ab und las die beanstandete Stelle, wobei sie ihr Bestes tat, Mißbilligung zu zeigen. Sie war darin nicht sehr geschickt, weil sie allzu oft mit den Kritikern übereinstimmte. Gewöhnlich behielt sie diese ketzerischen Ansichten für sich, und nicht nur, um Frieden und Ruhe zu haben. George war durchaus bereit, Lob von ihr – oder irgend jemandem – entgegenzunehmen, aber wenn sie seine Arbeit zu kritisieren wagte, hielt er ihr einen vernichtenden Vortrag über ihre künstlerische Unwissenheit. Sie las die Kritik zweimal, dann gab sie es auf. Sie fand sie recht günstig und äußerte das auch.
»Ihm scheint die Vorstellung doch gefallen zu haben. Worüber brummst du?«
»Hier«, fauchte
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