Die letzte Generation
Die Kinder würden zweifellos diesen Vorgang sehr wirksam beschleunigen.
Jean trat an das noch nicht mit Vorhängen versehene Fenster und blickte über die Kolonie hin. Es war ein schöner Ort, daran gab es keinen Zweifel. Das Haus stand am Westhang des niedrigen Hügels, der, in Ermangelung irgendwelcher Rivalen, die Insel Athen beherrschte. Zwei Kilometer weiter nördlich konnte sie den Damm sehen, eine schmale Messerschneide, die das Wasser teilte und nach Sparta führte. Jene felsige Insel mit ihrem brütenden Vulkankegel bildete einen solchen Gegensatz zu diesem friedlichen Fleck, daß es sie bisweilen erschreckte. Sie fragte sich, wie die Gelehrten so sicher sein konnten, daß der Vulkan niemals wieder erwachen und sie alle vernichten würde.
Eine schwankende Gestalt, die den Hang heraufkam und sich sorgsam im Schatten der Palmen hielt, erregte ihre Aufmerksamkeit. George kehrte von seiner ersten Konferenz zurück. Es war Zeit, mit den Träumereien aufzuhören und sich um das Hauswesen zu kümmern.
Ein metallisches Gerassel verkündete die Ankunft von Georges Fahrrad. Jean fragte sich, wie lange es dauern würde, bis sie beide fahren gelernt hatten. Dies war noch eine andere unerwartete Seite des Lebens auf der Insel. Privatautos waren nicht erlaubt und ja auch unnötig, da die größte Entfernung, die man in gerader Linie zurücklegen konnte, weniger als fünfzehn Kilometer betrug. Es gab verschiedene Fahrzeuge, die der Gemeinde gehörten: Lastautos, Krankenwagen und Feuerspritzen, die alle, außer in wirklichen Notfällen, nur fünfzig Stundenkilometer fahren durften. Infolgedessen hatten die Bewohner von Athen viel Bewegungsfreiheit, keine verstopften Straßen – und keine Verkehrsunfälle.
George gab seiner Frau einen flüchtigen Kuß und sank mit einem Seufzer der Erleichterung auf den nächsten Stuhl. »Puh!« sagte er und wischte sich die Stirn. »Alle haben mich auf dem Weg bergauf überholt; wahrscheinlich gewöhnen sich die Leute also wirklich daran. Ich glaube, ich habe schon zehn Kilo verloren.«
»Wie ist es dir ergangen?« fragte Jean pflichtschuldig. Sie hoffte, George würde nicht zu erschöpft sein, um beim Auspacken zu helfen.
»Sehr anregend. Natürlich kann ich mich nicht mehr auf die Hälfte der Leute besinnen, die ich getroffen habe, aber sie schienen sehr angenehm zu sein. Und das Theater ist genauso gut, wie ich gehofft habe. Wir beginnen die Arbeit nächste Woche mit Shaws ‚Zurück zu Methusalem’. Man hat mir die ganze Ausstattung und die Entwürfe übertragen. Das ist etwas anderes, als wenn ständig ein Dutzend Leute mir sagen will, was ich nicht tun soll. Ja, ich glaube, es wird uns hier gefallen.«
»Trotz der Fahrräder?«
George brachte eine Art Lächeln zustande. »Ja«, sagte er, »in einigen Wochen werde ich unsern kleinen Hügel nicht einmal bemerken.«
Das glaubte er in Wirklichkeit nicht, aber es entsprach der Wahrheit. Es dauerte jedoch noch einen weiteren Monat, bis Jean das Auto wirklich verschmerzt und all die Dinge entdeckt hatte, die man mit seiner eigenen Küche machen konnte.
Neu-Athen war nicht natürlich und folgerichtig entstanden wie die Stadt, deren Namen es trug. Alles in der Kolonie war sorgfältig geplant und das Ergebnis langjähriger Studien einer Gruppe sehr bemerkenswerter Männer. Es hatte als offene Verschwörung gegen die Overlords begonnen, als eine stillschweigende Auflehnung gegen ihre Politik, wenn nicht gegen ihre Macht. Zunächst waren die Gründer der Kolonie mehr als zur Hälfte überzeugt gewesen, daß Karellen ihre Pläne durchkreuzen würde, aber der Oberkontrolleur hatte nichts unternommen, überhaupt nichts. Das war nicht ganz so beruhigend, wie man hätte erwarten können. Karellen hatte viel Zeit: Er konnte einen späteren Gegenschlag vorbereiten. Oder er war so fest von dem Mißlingen des Plans überzeugt, daß er es nicht für notwendig hielt, irgend etwas dagegen zu unternehmen.
Daß die Kolonie Schiffbruch erleiden würde, hatten die meisten Leute vorausgesagt. Aber in der Vergangenheit, lange bevor man etwas über soziale Dynamik wußte, hatte es ja auch viele Gemeinden gegeben, die besondere religiöse oder philosophische Ziele verfolgten. Gewiß, ihre Sterblichkeitsziffer war hoch gewesen, aber einige hatten weitergelebt. Und die Grundlagen von Neu-Athen waren so sicher, wie die moderne Wissenschaft sie machen konnte.
Es gab viele Gründe dafür, eine Insel als Sitz zu wählen. Nicht die unwichtigsten waren
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