Die letzte Hürde
der Reitkappe hervor über die Wangen den Hals hinunter.
„Mach dir nichts draus, der geht wie eine Eins!“ rief ihr Frau Körber zu.
Das spürte auch Bille. Offensichtlich hatte Peppino diese Extratour gebraucht, um jetzt jeder Anweisung zu folgen wie ein Lämmchen, dabei immer noch temperamentvoll und sprühend vor Kraft. Aus den Augenwinkeln sah Bille, wie sich immer mehr Besucher einfanden und neugierig am Rande des Platzes stehen blieben. So gut war Peppino noch nie gegangen! Bille freute sich an seinen schwungvollen Bewegungen und war nicht erstaunt, als am Ende ihrer Vorstellung applaudiert wurde. Das war bei einer einfachen Reitpferdeprüfung keineswegs selbstverständlich, da die meisten Tumierbesucher nur an den schwierigeren Konkurrenzen interessiert waren und die anderen kaum eines Blickes würdigten.
„Also, Junge, ich denke, die erste Klasse hast du mit Anstand geschafft!“ lobte Bille ihr Pferd. Sie fuhr Peppino zärtlich durch die Mähne, als sie zum Transporter zurückkehrten. „Zur Belohnung gehen wir noch ein bißchen ins Gelände. Eine Viertelstunde haben wir Zeit, dann muß ich wieder starten.“
Bille zog sich das Jackett von den Schultern und warf es Anke zu. Dann lenkte sie den Wallach zum Wäldchen hinüber und ließ ihn auf dem federnden Boden nach Lust und Laune rennen, bis sie spürte, daß er genug hatte. Schließlich wendete sie ihn und ließ ihn am langen Zügel zum Stellplatz zurückgehen.
„Bis jetzt habt ihr die höchste Punktzahl“, berichtete Herr Körber, der die Ansagen genau verfolgte. „Du mußt dich beeilen, du bist gleich wieder dran.“
Bille sprang aus dem Sattel, klopfte Peppino noch einmal liebevoll den Hals, fuhr sich schnell mit einem Handtuch über den feuchten Nacken und schlüpfte wieder in das von Anke bereitgehaltene Turnierjackett. Dann wechselte sie die Pferde.
Olympia war eine Dunkelfuchsstute, die Hans Tiedjen aus Freundschaft einem bayerischen Züchter abgekauft hatte, der in finanzielle Schwierigkeiten geraten war. Nach abgeschlossener Ausbildung sollte Olympia dem Internatsstall als Turnierpferd zur Verfügung gestellt werden. Olympia war ein problemloses Pferd, nicht besonders temperamentvoll, aber mit großen Kraftreserven. Wer immer sie reiten würde, er würde sie tüchtig antreiben müssen. Bille lächelte bei dem Gedanken, wie Ignaz der Schreckliche, ihrer aller Lieblingslehrer, über den Platz brüllen würde: Jetzt streu ihr mal ’n bißchen Pfeffer unter den Hintern, sonst wird das nie was!
Wie erwartet, lieferte Olympia einen braven, aber etwas glanzlosen Ritt ab. Bille klopfte sie anerkennend und beugte sich über ihren Hals. „Wenn’s nach mir ginge, würdest du zu einem lieben kleinen Mädchen kommen, die jeden Tag ganz lange mit dir ins Gelände geht und richtig Spaß hat mit dir“, flüsterte sie der Stute zu. „Und eines Tages würdest du ein wunderschönes Fohlen bekommen.“
Als ob der Himmel Billes Wunsch erhört hätte, wurde sie auf dem Weg von einem Ehepaar angesprochen, das eine schüchterne Zwölfjährige im Schlepptau hatte.
„Entschuldigen Sie! Wir hätten eine Frage“, rief die Frau, und Bille beobachtete, wie das Mädchen nach der Hand der Mutter griff und sie heftig drückte. „Ist die Stute zu verkaufen?“
„Eigentlich nicht“, Bille sah den enttäuschten Blick des Mädchens, das - wie sie feststellte - hinter ihren Brillengläsern sanfte graublaue Augen hatte. „Ich denke, was Olympia betrifft, läßt Herr Tiedjen mit sich reden. Natürlich nur, wenn er weiß, daß sie in gute Hände kommt.“
„Ja, ja!“ Das Mädchen machte einen Hüpfer vor Aufregung. „In die aller-, allerbesten!“
Hinter ihr führte Frieder Peppino heran. „Bille, du mußt zur Siegerehrung! Ihr habt gewonnen, ihr zwei! Hörst du nicht?“
„Okay, wir sprechen uns später“, rief Bille den Eltern des Mädchens zu, das sich sofort an Olympias Hals hängte, als Bille die Pferde gewechselt hatte. „Frieder, die Kleine darf unter deiner Aufsicht Olympia trockenreiten, bis ich zurück bin.“
War ich zu eigenmächtig? Vielleicht ist Daddy überhaupt nicht einverstanden mit dem Verkauf, und ich mache dem Mädel vergeblich Hoffnungen! überlegte sich Bille, während sie im Dressurviereck Aufstellung nahm. Aber wenn sie eine gute, sensible Reiterin ist, werde ich mich für sie einsetzen. Gut zu Olympia ist sie sicher, sie macht so einen liebevollen und ernsthaften Eindruck.
Peppino benahm sich bei der Siegerehrung wie ein
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