Die letzte Kolonie
»Wenn Zoë ihre beste Freundin Gretchen mitnehmen möchte, würden sie ihr diesen Wunsch verweigern? Und glauben Sie, dass Zoë abreisen würde, wenn Jane und ich zurückblieben?«
»Haben Sie vor, auf Roanoke zu bleiben?«
»Natürlich.«
»Dann werden Sie sterben.«
»Das mag sein. Obwohl ich daran arbeite, es nicht so weit kommen zu lassen. Nichtsdestoweniger ist Roanoke unsere Heimat. Wir werden diese Welt nicht verlassen, und ich vermute, es wird Ihnen schwerfallen, Zoë zu überzeugen, Sie ohne uns oder ihre Freunde zu begleiten.«
»Sie würde abreisen, wenn Sie es ihr sagen würden.«
Ich lächelte, griff nach dem PDA auf meinem Schreibtisch und schickte eine Nachricht an Zoë, dass sie mich unverzüglich in meinem Büro aufsuchen sollte. Sie traf wenige Minuten später ein.
»Hickory und Dickory möchten, dass du Roanoke verlässt«, sagte ich zu ihr.
»Kommen Mutter und du mit?«, fragte Zoë.
»Nein.«
»Dann vergiss es«, sagte Zoë und sah Hickory an.
Ich hielt Hickory bedauernd die offenen Hände hin. »Hab’s Ihnen doch gesagt.«
»Sie haben ihr nicht gesagt, dass sie fortgehen soll.«
»Geh, Zoë«, sagte ich.
»Du kannst mich mal, neunzigjähriger Vater«, erwiderte Zoë, lächelnd und gleichzeitig todernst. Dann wandte sie sich wieder an die Obin. »Und ihr beiden könnt mich auch mal. Und ich pfeife auf das, was auch immer ich für die Obin bin. Wenn ihr mich beschützen wollt, beschützt gefälligst auch die Leute, die mir etwas bedeuten. Beschützt diese Kolonie.«
»Das können wir nicht«, sagte Hickory. »Das wurde uns verboten.«
»Dann habt ihr ein Problem«, sagte Zoë. Ihr Lächeln war verschwunden, und ihre Augen blitzten. »Denn ich werde nirgendwohin gehen. Und daran werdet ihr beiden nichts ändern können.« Damit stürmte Zoë nach draußen.
»Das lief ungefähr genauso ab, wie ich erwartet hatte«, sagte ich.
»Sie haben sich keine große Mühe gegeben, sie zu überzeugen.«
Ich sah ihn blinzelnd an. »Wollen Sie damit andeuten, dass ich nicht ehrlich war?«
»Ja«, sagte Hickory. Sein Gesichtsausdruck war noch schwieriger zu deuten als gewöhnlich, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass es leicht für ihn war, so etwas zu sagen. Seine emotionale Reaktion würde ihn vermutlich dazu veranlassen, bald sein Interface abzuschalten.
»Sie haben recht«, sagte ich. »Ich war nicht ehrlich.«
»Aber warum?«, fragte Hickory, und der flehende Tonfall und das Zittern in seiner Stimme überraschten mich. »Sie haben Ihr eigenes Kind zum Tode verurteilt. Und das Kind von Charles Boutin.«
»Sie ist noch nicht tot. Und wir sind es auch nicht. Genauso wenig wie diese Kolonie.«
»Sie wissen, dass wir nicht zulassen können, dass Zoë Schaden zugefügt wird«, brach Dickory sein Dauerschweigen. Mir fiel wieder ein, dass er eigentlich der Höherrangige von den beiden Obin war.
»Denken Sie jetzt wieder über Ihren ursprünglichen Plan nach, Jane und mich zu töten, um Zoë zu schützen?«
»Es besteht die Hoffnung, ihn nicht in die Tat umsetzen zu müssen«, sagte Dickory.
»Welch hochinteressante, doppelsinnige Antwort!«
»Sie ist nicht doppelsinnig«, sagte Hickory. »Sie wissen, welchen Standpunkt wir einnehmen, einnehmen müssen.«
»Und ich fordere Sie auf, sich zu erinnern, welchen Standpunkt ich einnehme. Ich habe Ihnen gesagt, dass Sie Zoë unter allen Umständen beschützen sollen. An diesem Standpunkt hat sich nichts geändert.«
»Aber Sie haben die Angelegenheit für uns erheblich erschwert«, sagte Hickory. »Vielleicht sogar unmöglich gemacht.«
»Das glaube ich nicht. Ich möchte Ihnen beiden einen Vorschlag
machen. Sie erwarten ein Schiff, das in Kürze eintreffen wird. Ich werde Ihnen versprechen, dass Zoë mit Ihnen an Bord dieses Schiffs abfliegt. Aber Sie müssen mir versprechen, sie dorthin zu bringen, wohin ich sie schicken möchte.«
»Wo wäre das?«, fragte Hickory.
»Das werde ich Ihnen noch nicht sagen.«
»Das macht es für uns schwierig, diesem Vorschlag zuzustimmen«, sagte Hickory.
»Das ist der Haken. Aber ich garantiere Ihnen, dass Zoë dort, wohin Sie sie bringen werden, sicherer ist als hier. Wenn Sie zustimmen, werde ich meine Tochter dazu bringen, mit Ihnen zu fliegen. Wenn Sie es nicht tun, müssen Sie eine Möglichkeit finden, sie hier zu beschützen. Oder Jane und mich töten, um sie fortzerren zu können. Sie haben die Wahl.«
Hickory und Dickory steckten die Köpfe zusammen und besprachen sich mehrere Minuten
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