Die letzte Kolonie
dessen, was uns bei einer gezielten Zündung der Sprengladung erwartet hätte. Trotzdem reichte sie aus, mich in einem Kilometer Entfernung auf den Hintern zu werfen und mein Gehör für eine gute Stunde auszuschalten. Bruchstücke der Raketen wirbelten in alle Richtungen davon, angetrieben von der Energie der Brennstoffexplosion. Einige Teile landeten im Wald, zerfetzten Roanoke-Bäume und setzten Laub und Holz in Brand. Andere Teile schlugen in Farmgebäude, brachten Häuser und Scheunen zum Einsturz und verwandelten Viehherden in blutige Schmierflecken auf den Weiden.
Ein Trümmerstück der Verkleidung des Raketentriebwerks flog in sehr hohem Bogen durch die Luft und krachte schließlich auf den Boden, genau an der Stelle, wo sich etwas tiefer der erst vor Kurzem errichtete Schutzraum der Familie Gugino befand. Das Trümmerstück durchschlug die Decke des Bunkers und drang in den eigentlichen Schutzraum ein. Darin hielt sich die gesamte Familie Gugino auf: Bruno und Natalie, ihre sechs Jahre alten Zwillinge Maria und Katherina und ihr siebzehnjähriger Sohn Enzo. Der vor Kurzem begonnen hatte, erneut Zoë zu umwerben, und zwar mit etwas mehr Erfolg als zuvor.
Keiner von ihnen konnte lebend geborgen werden. Eine Familie war auf einen Schlag ausgelöscht worden. Es war unvorstellbar.
Aber es hätte viel schlimmer kommen können.
Ich verbrachte die Stunde nach dem Angriff damit, mir einen Überblick über den Schaden in der Kolonie zu verschaffen, dann machte ich mich mit Savitri auf den Weg zur Farm der Guginos. Ich fand Zoë teilnahmslos auf der Veranda des Hauses sitzen, inmitten der Scherben von den Fensterscheiben, die die Druckwelle zerbrochen hatte. Hickory stand neben ihr, Dickory war mit Jane zu den Resten des Bunkers gegangen. Nur die beiden hielten sich dort auf. Ein Stück entfernt stand eine kleine Gruppe von Männern, die auf Janes Anweisungen warteten.
Ich ging zu Zoë und schloss sie fest in die Arme. Sie nahm die Umarmung an, erwiderte sie aber nicht. »Ach, mein Schatz«, sagte ich. »Es tut mir unendlich leid.«
»Mach dir keine Sorgen um mich, mir geht es gut«, sagte sie in einem Tonfall, der ihre Worte als Lüge entlarvte.
»Ich weiß«, sagte ich. »Trotzdem tut es mir leid. Das ist ein schwerer Schlag. Ich bin mir nicht sicher, ob es ratsam ist, dass du jetzt hier bist.«
»Ich will nicht gehen«, sagte Zoë.
»Das musst du auch nicht. Aber ich weiß nicht, ob es gut für dich ist, wenn du es siehst.«
»Ich musste hierherkommen«, sagte Zoë. »Ich musste es mit eigenen Augen sehen.«
»Gut«, sagte ich.
»Ich sollte heute Abend eigentlich hier sein.« Zoë deutete auf das Haus. »Enzo hatte mich zum Essen eingeladen. Ich habe gesagt, dass ich komme, aber dann habe ich mit Gretchen die Zeit vergessen. Ich wollte ihn gerade anrufen und mich entschuldigen, als die Warnung reinkam. Eigentlich hätte ich hier sein sollen.«
»Deswegen solltest du dir keine Vorwürfe machen, Schatz.«
»Deswegen mache ich mir auch gar keine Vorwürfe. Ich bin froh , dass ich nicht hier war. Deshalb mache ich mir Vorwürfe.«
Unwillkürlich stieß ich ein trockenes Lachen aus und drückte Zoë noch einmal an mich. »Ach Gott, Zoë«, sagte ich. » Ich bin genauso froh, dass du heute Abend nicht hier warst. Und deshalb mache ich mir absolut keine Vorwürfe. Es tut mir leid, was mit Enzo und seiner Familie geschehen ist. Aber ich bin froh, dass du bei uns in Sicherheit warst. Mach dir keine Vorwürfe, dass du am Leben bist, Schatz.« Ich küsste sie auf die Stirn.
»Danke«, sagte Zoë, aber sie wirkte noch nicht ganz überzeugt.
»Ich sage Savitri, dass sie bei dir bleiben soll, wenn ich gehe, um mit deiner Mutter zu reden, okay?«
Zoë lachte leise. »Was? Meinst du, Hickory würde mir nicht genug Trost spenden?«
»Das tut er sicherlich. Aber ich muss ihn mir für ein paar Minuten ausborgen. Einverstanden?«
»Alles klar«, sagte Zoë.
Savitri kam, setzte sich zu Zoë auf die Stufen und legte einen Arm um sie. Ich winkte Hickory zu mir herüber. Er ging neben mir, als wir uns auf den Weg zum Bunker machten.
»Ist Ihr Emotionsimplantat eingeschaltet?«, fragte ich ihn.
»Nein«, sagte Hickory. »Zoës Trauer war für mich unerträglich.«
»Schalten Sie es bitte ein«, sagte ich. »So ist es einfacher, sich mit Ihnen zu unterhalten.«
»Wie Sie wünschen«, sagte Hickory, schaltete das Gerät ein und brach zu einem Häufchen Elend zusammen.
»Was zum …«, entfuhr es mir, und ich
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