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Die letzte Kolonie

Titel: Die letzte Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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durchkamen, welchen Sinn hatte es dann noch, Mitglied des Konklave zu sein? Jeden Tag, an dem Roanoke im Verborgenen blieb, war ein Tag, an dem sich diese kleineren Völker über die Organisation ärgerten, für die sie ihre Souveränität aufgegeben hatten.
    Doch der Hauptgrund, warum die Koloniale Union Zeit brauchte, war ein ganz anderer. Man brauchte Zeit, um alle 412 Schiffe zu identifizieren, aus denen sich die Konklaveflotte
zusammensetzte. Man brauchte Zeit, diese Schiffe ausfindig zu machen, wenn die Flotte nicht aktiv war. Man brauchte Zeit, um einen Gameraner der Spezialeinheit in der Nähe jedes dieser Schiffe in Position zu bringen, jemanden wie Lieutenant Stross. Genauso wie Stross waren alle diese Soldaten der Spezialeinheit an die lebensfeindlichen Bedingungen des tiefen Weltraums angepasst. Genauso wie Stross war jeder von ihnen mit eingebetteter Nanotarnung ausgestattet, die es ihnen ermöglichte, sich den Schiffen zu nähern und sich sogar an ihnen festzuhalten, unsichtbar, tagelang, vielleicht sogar wochenlang. Im Gegensatz zu Stross führte jeder dieser Soldaten eine kleine, aber leistungsfähige Bombe mit sich, in der ein paar Gramm fein verteilter Antimaterie im Vakuum aufgewahrt wurden.
    Als die Sacajawea mit der Besatzung der Magellan zurückgekehrt war, machten sich die Gameraner für ihren Einsatz bereit. Lautlos und unsichtbar versteckten sie sich irgendwo an der Außenhülle ihres Zielobjekts und wurden von den Raumschiffen mitgenommen, als sie sich am vereinbarten Treffpunkt versammelten, um sich auf einen weiteren beeindruckenden Massenauftritt über einer Welt voller Kolonisten vorzubereiten, die verängstigt die Köpfe einzogen. Als die Skip-Drohne von der Sanfter Stern eintraf, deponierten die Gameraner ihre Bomben an den Hüllen der Raumschiffe und ließen sich sanft davontreiben, bevor die Schiffe den letzten Skip vollzogen. Schließlich wollten sie nicht in der Nähe sein, wenn all diese Bomben hochgingen.
    Sie mussten auch gar nicht mehr in der Nähe sein. Die Bomben wurden von Lieutenant Stross ferngezündet, der aus sicherer Entfernung Bestätigungssignale von allen Bomben einholte, um zu gewährleisten, dass alle vorhanden und scharf
waren. Dann ließ er sie in einer Sequenz detonieren, von der er sich den größten ästhetischen Eindruck versprach. Stross war ein recht schrulliger Typ.
    Nach der Zündung schossen die Bomben die Antimaterie wie eine Schrotladung auf die jeweilige Schiffshülle. Die Streuung über eine große Fläche diente dem Zweck, eine möglichst effiziente gegenseitige Auslöschung von Materie und Antimaterie zu erreichen. Es funktionierte wunderbar – und schrecklich.
    Viele dieser Einzelheiten erfuhr ich erst viel später, unter ganz anderen Umständen. Doch selbst während ich noch neben General Gau stand, wurde mir klar, dass Roanoke niemals eine Kolonie im traditionellen Sinne gewesen war. Der Planet war nie dazu gedacht gewesen, Menschen eine neue Heimat zu geben oder unseren Einflussbereich im Kosmos zu erweitern. Roanoke war ein Symbol des Trotzes, ein Mittel zum Zeitschinden und eine Falle für ein bestimmtes Intelligenzwesen, das davon träumte, das Universum zu verändern. Dieser Traum sollte zerstieben, während dieses Wesen zusah.
    Wie gesagt, alles ist möglich, wenn man genügend Zeit und den nötigen Willen hat. Wir hatten die Zeit. Und wir hatten den Willen.

    General Gau starrte in den Himmel, während seine Flotte lautlos von grellen Blitzen zerfetzt wurde. Hinter uns schrien seine Soldaten durcheinander, verwirrt und erschrocken über das, was sie sahen.
    »Sie wussten es«, sagte Gau flüsternd. Er hörte nicht auf, in den Himmel zu starren.

    »Ich wusste es«, sagte ich. »Und ich habe versucht, Sie zu warnen, General. Ich habe Sie gebeten, ihre Flotte nicht zu rufen.«
    »Das haben Sie getan«, sagte Gau. »Aber ich kann mir nicht vorstellen, warum Ihre Befehlshaber Ihnen so etwas erlaubt haben.«
    »Das haben sie nicht.«
    Jetzt drehte sich Gau zu mir um. Sein Gesichtsausdruck war für mich nur schwer zu deuten, aber ich spürte, dass darin tiefster Schrecken und dann sogar so etwas wie Neugier stand. » Sie haben mich gewarnt«, sagte er. »Aus eigener Initiative.«
    »Ja.«
    »Warum haben Sie das getan?«
    »Ich bin mir nicht ganz sicher«, gestand ich ein. »Warum haben Sie entschieden, den Kolonisten die Möglichkeit zum freien Abzug zu geben, statt sie zu töten?«
    »Das gebietet die Ethik«, sagte Gau.
    »Vielleicht ist es

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