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Die letzte Lagune

Die letzte Lagune

Titel: Die letzte Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Was spricht dann gegen die Theorie von diesem
Marchmain? Außer Ihrem Glauben an das Gute in Mr.
Flyte?»
    «Ich könnte
Flytes Alibi überprüfen», sagte Tron lahm.
«Aber morgen fahren wir nach Verona. Wenn Petrelli in der
Armee war, gibt es Unterlagen im
Militärarchiv.»    
    «Dann wenden Sie
sich an Oberst Redel», sagte Spaur. «Wir waren zusammen
auf der Wiener Kadettenanstalt. Ich gebe Ihnen ein Billett mit. Und
lassen Sie sich nicht von seinem Adjutanten abwimmeln. Das ist ein
unangenehmer Bursche, der einen immer auf den Dienstweg
verweist.» Der Polizeipräsident räusperte sich
nervös. «Noch etwas, Commissario.»
    «Ja?»
    «Was ist von
dieser Verbindung zwischen Contarini und Petrelli zu
halten?»
    «Contarini hat
Petrelli die Arbeit auf San Lazzaro verschafft», sagte Tron.
«Petrelli stand also in Contarinis Schuld.»
    Spaur verschob
nachdenklich ein paar Pralinés auf seinem Schreibtisch.
«Und diese Signorina Lupi hat ausgesagt, dass der Mann, der
Petrelli besucht hat, ein Engländer gewesen sein könnte. Sie hat lediglich eine
Vermutung geäußert. Dieser Mann könnte folglich
auch ein Italiener gewesen sein. Immerhin ist Flyte nicht der
Einzige, der ein Interesse an Ihrem Archiv hat.» Spaur sah
Tron an. «Halten Sie es für möglich, dass Contarini
in diese Geschichte verwickelt ist?» 
    «Der Monsignore
besitzt Diplomatenstatus», sagte Tron. «Das weiß
er natürlich, und er weiß auch, dass wir es wissen. Es
dürfte außerordentlich schwierig sein, ihn unter Druck
zu setzen.»
    «Contarini
wäre mir eigentlich am liebsten», sagte Spaur. Er hob
resigniert die Schultern. «Aber vermutlich ist es im Moment
einfacher, wenn wir Flyte nehmen.»

20
    Das Militärarchiv
des kaiserlichen Hauptquartiers in Verona war ein riesiger Kasten
aus gelblichem Backstein, dessen Rückfront an die mit
Eisschollen bedeckte Etsch grenzte. Seine Grundfläche schien
ein ganzes Stadtquartier einzunehmen, so als läge die Macht
der kaiserlichen Armee nicht in den Rohren ihrer Geschütze,
sondern in Abertausenden sorgfältig archivierter
Kanzleibögen.
    Nachdem Tron und Bossi
sich legitimiert und den Grund ihres Besuches genannt hatten, waren
sie von einem Sergeanten durch ein wahres Labyrinth von
Treppenhäusern und Gängen geführt worden, in denen
der typische Militärgeruch von Bohnerwachs und Kohl
vorherrschte. Hin und wieder stand eine Tür auf, und sie
blickten auf uniformierte Archivare, die an Schreibtischen
saßen, auf denen sich Akten stapelten.
    Akten stapelten sich
auch im Zimmer von Leutnant Haeger. Sie wälzten sich auf dem
Schreibtisch, lagen auf hölzernen Regalen und bildeten kleine,
an die Wand gelehnte Türme. Einer der Aktentürme war
umgefallen, und man hatte sich offenbar damit begnügt, die
losen Kanzleibögen einfach in eine Ecke zu schieben. Staub lag
in der Luft, überhaupt schien hier alles von einer dünnen
Staubschicht überzogen zu sein.
    Der Leutnant selbst
saß hinter seinem Schreibtisch, in der Hand einen
Federhalter, die Augen konzentriert auf ein Buch gerichtet, in das
er gerade eine Eintragung machte. Als Tron und Bossi in der
Tür erschienen, hob er ohne aufzublicken die Hand - die Geste
eines Mannes, der bei einer wichtigen Tätigkeit nicht
unterbrochen werden möchte. Nachdem er seine Eintragung
beendet hatte, ohne seine Besucher zu beachten, drehte er das Buch
um, sodass der Buchrücken sichtbar wurde - ein Ledereinband,
verziert mit goldgeprägten Rosen.
    Dann erst geruhte er
langsam seinen Kopf zu heben. Leutnant Haeger hatte graublaue
Augen, die einen müden, aber nicht unintelligenten Blick auf
seine Besucher warfen. Zwischen den beiden obersten Knöpfen
seiner Uniformjacke trocknete etwas Eigelb. «Was
wünschen die Herren?»
    «Ich bin Alvise
Tron, Commissario von San Marco», sagte Tron, «und das
ist Ispettore Bossi.» Er legte das Billett Spaurs auf den
Schreibtisch.
    Leutnant Haeger hatte
sein Buch wieder umgedreht, um einen weiteren Eintrag vorzunehmen.
Nachdem er das ohne Eile getan hatte - dabei murmelte
er vor sich hin las er Spaurs Billett. «Sie haben eine
Empfehlung an Oberst Redel?»
    «Ausgefertigt
vom venezianischen Polizeipräsidenten, Baron von Spaur»,
sagte Tron in militärischem Ton.
    Leutnant Haeger
gähnte, dann hob er bedauernd die Schultern. «Oberst
Redel ist vor zwei Monaten aus dem aktiven Dienst
ausgeschieden.»
    «Vielleicht
könnten Sie uns trotzdem behilflich sein, Herr
Leutnant», sagte Tron. «Es geht um einen

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