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Die letzte Lagune

Die letzte Lagune

Titel: Die letzte Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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anderen Frau verheiratet
ist?», fragte er unvermittelt. Er schien die ganze Zeit
intensiv darüber nachgedacht zu haben, was Contarini mit
«Bigamie» gemeint haben könnte.
    «So habe ich den
Monsignore verstanden», sagte Tron. Er versuchte, sich an
seine Griechischlektionen im Seminario Patriarchale zu
erinnern. «Bi heißt zweimal
und gamos Ehe. Spaur hat eine zweite Ehe
geschlossen, ohne sich von seiner ersten Frau scheiden zu
lassen.»
    «Ob die Baronin
darüber informiert ist?»
    Tron musste lachen.
«Die Frage ist nicht, ob die Baronin Bescheid weiß,
sondern ob das, was Contarini behauptet, überhaupt
stimmt.»
    «Contarini
lügt?»
    «Jedenfalls hat
er irgendetwas gegen Spaur in der Hand», sagte
Tron.
    «Was will dieser
Contarini eigentlich?»
    «Die
Tagebücher Zanetto Trons», erwiderte Tron. «Das
zumindest hat mir der englische Wissenschaftler gesagt, der sie
entdeckt hat, und ich glaube nicht, dass Flyte gelogen hat. Was die
Bemerkung über Bigamie damit zu tun hat, werden wir noch
erfahren. Jedenfalls ist der Mann nicht zu
unterschätzen.»
    «Contarini hat
Petrelli gekannt», sagte Bossi nachdenklich. «Und
Petrelli war ihm in gewisser Weise verpflichtet. Contarini
könnte rein theoretisch ...» Der Ispettore brach den
Satz ab und sah Tron an.
    «Sie meinen, er
könnte Petrelli für den Einbruch engagiert und ihn
anschließend umgebracht haben?»
    Bossi nickte.
«Seine Betroffenheit über Petrellis Tod hielt sich in
Grenzen.»
    «Die Contarinis
waren immer schon kalt wie Fische», sagte Tron. «Das
heißt aber noch lange nicht, dass er Petrelli umgebracht
hat.»
    «Ist Ihnen
aufgefallen, wie einsilbig er wurde, als wir uns nach dem Diebstahl
in der Sakristei erkundigt haben? Er wollte nicht darüber
reden. Warum nicht?»
    «Contarini steht
vermutlich auf dem Standpunkt, dass die venezianische Polizei
hinter den Mauern dieses Klosters nichts zu suchen hat»,
sagte Tron. «Und sich schon gar nicht um Lappalien wie den
Diebstahl eines Taufbechers kümmern sollte.»
    «Es sind kurz
hintereinander zwei wertlose Glaspokale gestohlen worden»,
sagte Bossi. «Einer aus der Sakristei von San Lazzaro, der
andere aus dem Palazzo Tron.»
    Tron zuckte die
Achseln. «Irgendjemand in Venedig hat ein Faible für
alte Glaspokale und schreckt weder vor Einbruch noch vor Mord
zurück. Das Glas wird dir Unglück
bringen, Dandolo.»
    Bossi sah Tron
irritiert an. «Welches Glas? Und welcher
Dandolo?»
    Tron lächelte.
«Nichts, Bossi. Das war nur ein Zitat, das mir gerade
einfiel.»

19
    Johann-Baptist von
Spaur ließ den Federhalter auf die Akte fallen, in der er
gelesen hatte - oder so getan hatte -, und sank in seinen Sessel
zurück, als Tron sein Büro betrat. Das Fenster zum Rio di
San Lorenzo stand auf, denn die beiden Kachelöfen in Spaurs
Büro verbreiteten ein deutliches Zuviel an Wärme. Tron
musste an die Eisblumen auf den Fensterscheiben denken, an die man
sich in den übrigen Räumen der Questura mittlerweile
gewöhnt hatte. Spaurs Schachtel mit dem Demel-Konfekt stand
zwar geöffnet vor ihm, aber der Polizeipräsident hatte
noch keines der Konfektstücke ausgewickelt. Stattdessen hatte
er sie appetitlos auf dem Schreibtisch arrangiert. Sein
gerötetes Gesicht war von weißlichen Flecken
überzogen.
    «Ich hatte
gehofft», sagte Spaur, «Sie heute Mittag in der
Questura zu treffen.» Er fummelte nervös an den
Konfektstücken herum.
    «Bossi und ich
waren auf San Lazzaro», sagte Tron. «Wir hatten ein
Gespräch mit Monsignore Contarini.»
    Spaurs Hand kam abrupt
zum Stillstand. «Hat er seinen Besuch in der Questura
erwähnt?»
    «Am Ende unseres
Gesprächs.»
    «Über den
Grund seines Besuchs hat er sich nicht
geäußert?»
    «Es fiel das
Wort Bigamie», sagte Tron.
    Spaur schluckte.
«Er hat Bigamie gesagt?»
    «So habe ich ihn
verstanden.»
    «Berichten Sie,
Commissario.»
    Tron konnte sich
kurzfassen. Er berichtete, dass Petrelli und Contarini sich aus Rom
kannten, wo Contarini den heruntergekommenen Petrelli von der
Straße aufgelesen hatte. Und dass Petrelli gedient hatte -
was immer daraus zu schließen war. Den Einbruch in die
Sakristei von San Lazzaro erwähnte Tron nicht.
    Als er mit seinem
Bericht zum Ende gekommen war, hatte Spaur eines der
Konfektstücke aus dem goldfarbenen Papier gewickelt und
betrachtete es ein paar Augenblicke lang mit starrem Blick, so als
würde er einen solchen Gegenstand zum ersten Mal sehen.
Schließlich sagte er: «Contarini hat diesen Dr. Flyte
nicht

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