Die letzte Lagune
abzustatten. Alles Weitere
würde er dann mit Spaur in der Questura besprechen.
*
Tron war nicht
überrascht darüber, dass das Florian bis auf den letzten
Platz besetzt war. Alle Cafés waren in diesen Tagen brechend
voll, vermutlich waren die Kaffeehausbetreiber die Einzigen, die
von der gegenwärtigen Kältewelle profitierten -
außer natürlich den Brennholzhändlern, die ihre
Preise verdreifacht hatten. Als er den maurischen Salon betrat, in
dem er seinen Stammplatz hatte, sah er, dass man heute
zusätzliche Stühle aufgestellt hatte und der für ihn
reservierte Zweiertisch regelrecht zugebaut war. Links von seinem
Tisch hatte sich eine laute französische Familie breitgemacht:
Vater, Mutter und drei kleine Töchter, die bunte Masken
trugen. Auf der anderen Seite saßen drei Leutnants der in
Venedig stationierten Kroatischen Jäger, die ihre Stühle
sehr dicht an seinen Tisch herangerückt hatten. Dass
kaiserliche Offiziere ein Café besuchten, das nicht zu
Unrecht als Versammlungsort der politischen Opposition galt,
wäre noch vor ein paar Jahren undenkbar gewesen. Die drei
nickten sogar freundlich und rückten mit ihren Stühlen,
sodass sich Tron - in ihren Augen irgendein Italiener - bequem an
seinem Tisch niederlassen konnte.
Da Tron seine
Bestellung wie üblich bereits am Kuchenbüfett aufgegeben
hatte, wusste er genau, was ihn jetzt erwartete: zwei Eclairs (die
ihn an Signorina Bianchi erinnern würden), zwei
Himbeerschnitten und zwei Cremehörnchen. Ein paar Minuten
später kam die Bestellung und wurde zusammen mit dem Kaffee
auf seinem Tisch platziert. Doch als Tron - hochkonzentriert, um
das Éclair nicht zu zerquetschen, sondern nur einen
üppigen Bissen möglichst sauber abzutrennen - die
Kuchengabel auf das Eclair herabsenkte, sah er plötzlich, wie
Ispettore Bossi sich durch die Tische drängte und zielstrebig
auf ihn zusteuerte. Das verhieß, dachte Tron seufzend, nichts
Gutes. Seine rechte Hand mit der Kuchengabel erstarrte in der Luft.
Mit der linken Hand deutete er auf den freien Stuhl an seinem
Tisch, aber der Ispettore schüttelte den Kopf. «Knarz
ist verhaftet worden», sagte er knapp.
Obwohl sich der Name
bekannt anhörte, hatte Tron einen Moment lang Schwierigkeiten,
ihn einzuordnen. Er legte die Kuchengabel auf seinem Teller ab.
«Wer?»
«Vittorio
Knarz», sagte Bossi. «Der Kantinenpächter aus dem
Fenice. Der Mann, in dessen Vorratskammer Marchmain erschossen
wurde.»
«Was ist
passiert?»
«Er hat
versucht, Marchmains Uhr zu verkaufen.»
Tron griff nervös
nach seiner Kuchengabel. «Wie kommt er an Marchmains
Uhr?»
«Das wird er uns
erklären müssen.»
«Wo ist er
verhaftet worden? Hier in Venedig?»
Bossi schüttelte
den Kopf. «In Padua. Bei einem Juwelier, der wegen einer
anderen Geschichte Schwierigkeiten mit der Polizei hatte und
für gutes Wetter sorgen wollte. Er hat die Uhr geprüft,
sich dann mit Knarz verabredet und vorher die Polizei
benachrichtigt. Die Kollegen aus Padua haben Knarz dann verhaftet.
Mit der Uhr in der Hand.»
«Und woher hat
dieser Juwelier gewusst, dass es sich um Marchmains Uhr gehandelt
hat?»
«Weil die Gazetta über den Mord im
Fenice berichtet hatte und auf der Uhr der Name Marchmain eingraviert war. Eine
Breguet mit Minutenrepetition.»
«Dieser Knarz
hätte ein halbes Jahr warten und die Uhr in Turin verkaufen
sollen», sagte Tron. «Er scheint ein Esel zu
sein.»
Bossi nickte.
«Absolut. Die Kollegen haben ihn mit dem Morgenzug nach
Venedig gebracht und gleich auf der Wache am Bahnhof abgegeben. Er
ist jetzt in der Questura.»
«Hat er etwas
gesagt?»
«Nur, dass er
Marchmain nicht getötet hat», sagte Bossi. Er machte
eine bedeutungsvolle Pause, bevor er weitersprach. «Und dass
er den Mörder gesehen hat.»
Trons Kuchengabel fiel
klirrend auf den Rand seines Tellers. «Er hat
was?»
«Er hat den
Mörder gesehen», wiederholte Bossi.
«Konnte er ihn
beschreiben?»
Bossi hob abwehrend
die Hände. «Das weiß ich nicht. Ich habe ihn nicht
näher befragt. Ich wollte, dass Sie ihn selber verhören,
Commissario. Er wartet in Ihrem Büro.» Und da Tron ihn
irritiert ansah, setzte er noch hinzu: «Sergente Caruso ist
bei ihm. Außerdem trägt er
Handfesseln.»
41
Zwar trug Vittorio
Knarz keine Handfesseln, aber jemand hatte ihm den Gürtel
abgenommen und seinen linken Fuß an das Bein des Stuhles
geschnallt, auf dem er saß. Der Stuhl war Trons
Besucherstuhl, und der Beamte, der hinter Trons Schreibtisch Platz
genommen hatte,
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