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Die letzte Lagune

Die letzte Lagune

Titel: Die letzte Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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halbe
Schneewehe in den Flur, sodass sie Schwierigkeiten hatten, die
Tür wieder zu schließen. Der Hausflur wurde von einer
Ölfunzel erleuchtet, die von der Decke hing und im Zugwind
pendelte. An der rechten Wand waren die Stufen einer Treppe zu
sehen, die zu den oberen Stockwerken führte. Dahinter ging
eine Wohnungstür ab, und eine weitere Tür war undeutlich
am Ende des Flures zu erkennen.
    Tron hatte es sich zur
Gewohnheit gemacht, vor möglichen Verhaftungen die Fluchtwege
des Verdächtigen zu erkunden. Gab es Hinterausgänge oder
ein zweites Treppenhaus? Lag hinter dem Vorderhaus ein Hof, oder
grenzte die Rückfront des Hauses direkt an einen Kanal? Er
ging am Treppenaufgang vorbei, stieß die Tür am Ende des
Flures auf und sah, dass direkt hinter dem Haus ein rio verlief. Ein paar
steinerne Stufen führten auf die Eisfläche hinab, und als
Tron den Kopf in den Sturm hinausstreckte, sah er, dass sich die
Treppenstufen nach rechts in Form eines steinernen Absatzes
fortsetzten. Darauf stand ein Baugerüst, das bis zum zweiten
Stock reichte. Das war ein potenzieller Fluchtweg, zumal bei
gefrorenen Kanälen, aber es gab im Moment keinen Grund,
anzunehmen, dass Flyte versuchen würde zu fliehen.
    Flyte wohnte im
zweiten Stock. An der Tür hing ein Messingschild, auf
dem Volpato stand, offenbar der Name des
Wohnungseigentümers, von dem der Engländer die Räume
gemietet hatte. Darüber war ein Stück Papier befestigt,
auf das Flyte seinen Namen geschrieben hatte. Bossi sah Tron
fragend an, und als der nickte, zog der Ispettore den eisernen
Klingelzug, der rechts neben der Tür befestigt war. Sie
hörten, wie eine Glocke im Flur scheppernd anschlug. Dann
warteten sie vergeblich darauf, dass sich Schritte der
Wohnungstür näherten, und Bossi betätigte den
Klingelzug erneut. Als auch diesmal kein Geräusch aus der
Wohnung zu hören war, klingelte Bossi ein drittes Mal,
ließ wieder ein paar Augenblicke verstreichen und rief dann:
«Dr. Flyte?»
    Diesmal regte sich
etwas hinter der Wohnungstür. Leise Schritte waren zu
hören, so als bewegte sich jemand auf Zehenspitzen - ein
vergebliches Unterfangen, denn die Dielen im Flur knarrten. Flyte
schien jetzt unmittelbar hinter der Tür zu stehen. Tron und
Bossi hörten, wie das Schloss der Wohnungstür mit einer
zweimaligen Drehung des Schlüssels abgeschlossen wurde. Dann
setzte ein hektisches Getrappel innerhalb der Wohnung ein.
Türen wurden geöffnet und schlugen scheppernd wieder zu.
Ein paar Augenblicke später herrschte plötzlich
Totenstille.
    Tron musterte die
Wohnungstür. Aus den Augenwinkeln sah er, dass Bossi das
Gleiche tat. Sie nickten sich zu, einig darüber, dass die
Tür alt und wahrscheinlich morsch genug war. Bossi lehnte
seinen Oberkörper zurück und zog dabei das rechte Bein
an. Dann holte er tief Luft und trat mit aller Kraft gegen die
Tür. Der Türflügel schwang krachend in den Flur
hinein und knallte gegen einen Spiegel, der splitternd zu Boden
fiel. Tron und Bossi rannten in die Wohnung, dann durch die zweite
Tür auf der linken Seite, instinktiv dem kalten Luftzug
folgend, der ihnen schon im Flur entgegengewehte. Das
Küchenfenster stand weit auf, und als Tron sich in den Sturm
hinausbeugte, sah er grade noch, wie Flyte, der das Baugerüst
hinabgeklettert war, auf den vereisten Rio di San Luca sprang und
mit schnellen Schritten im Schneetreiben
verschwand.    
    Tron drehte sich um
und nahm auf einem der beiden Küchenstühle Platz.
«Flyte kann weder gewusst haben», sagte er ratlos,
«dass Knarz verhaftet wurde, noch was er ausgesagt
hat.»
    «Und warum ist
er dann verschwunden, als wir mit ihm reden
wollten?»
    Tron hob ratlos die
Schultern. «Das kann ich Ihnen nicht sagen, Bossi. Es ergibt
keinen Sinn. Ich weiß auch nicht, wohin er geflüchtet
sein könnte.»
    «Er könnte
versuchen, sich zum Bahnhof durchzuschlagen, um den Nachtzug nach
Verona zu nehmen», meinte
Bossi.      
    Tron schüttelte
den Kopf. «Das wird er nicht tun, denn er muss damit rechnen,
dass wir den Bahnhof überwachen.»
    «Welche
Alternativen hat er?»
    «Neben der
Eisenbahnbrücke über die Lagune zu laufen und den Zug
erst in Fusina zu besteigen», sagte Tron achselzuckend.
«Aber er wird wahrscheinlich davon ausgehen, dass wir auch
Fusina überwachen, also wird er es lassen. Dass er in den
Palazzo Zafon gelaufen ist, bezweifle ich. Vermutlich wird er in
ein Hotel gehen und morgen versuchen, die Stadt zu
verlassen.»
    «Und was machen
wir

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