Die letzte Lagune
war Sergente Caruso. Der Sergente biss gerade von
einem Wurstbrot ab, als Tron sein Büro betrat. Es roch nach
feuchter Holzkohle, Petroleum und Schweinefett. Tron konnte sich
nicht daran erinnern, dass in den vielen Jahren seiner Amtszeit
jemals ein Wurstbrot in seinem Büro verspeist worden war. Er
war unwillkürlich auf der Schwelle stehen geblieben und hatte
entsetzt die Augen geschlossen.
«Caruso!»
Sergente Caruso sprang
auf und salutierte. «Das Beweisstück liegt auf dem
Tisch.» Er zeigte auf ein Päckchen auf dem Schreibtisch.
Ach ja, die Breguet.
«Sie können
gehen», sagte Tron. Er wies Bossi an, Knarz von dem
Gürtel zu befreien. Dann nahm er Platz und pustete die
Krümel vom Tisch, die Carusos Wurstbrot hinterlassen
hatte.
Die Breguet war in
eine Seite der Gazetta di Venezia eingeschlagen. Tron
wickelte sie vorsichtig aus. Das kostbare Stück tickte nicht,
aber als Tron die Uhr stellte und aufzog, fing sie sofort an zu
laufen. Eine prächtige Uhr, ohne Frage. Wenn auch, würde
die Contessa sagen, ziemlich nouveau riche. Die Brillanten auf dem
Ziffernblatt wirkten protzig, und der eingravierte Namenszug war
ein wenig zu groß. Tron hatte keine Ahnung, was eine solche
Breguet wert war, aber er vermutete, dass der Verkauf Knarz
für den Rest seines Lebens saniert hätte. Falls die Uhr
überhaupt echt war. Er erinnerte sich, gehört zu haben,
dass bereits zu Zeiten Napoleons die meisten Breguets Imitationen
waren, angeblich kamen auf eine echte Breguet fünfhundert
Fälschungen. Aber das spielte vorläufig keine
Rolle.
Als sie sich am
Sonnabendabend im Fenice begegnet waren, hatte Knarz einen perfekt
geschnittenen Frack getragen. Jetzt steckte er in einem abgewetzten
Gehrock, aus dessen Ärmeln schmutzige Manschetten lugten. Er
hockte auf dem Stuhl wie ein Häufchen Elend und starrte Tron
ängstlich an. Tron fand nicht, dass Vittorio Knarz wie jemand
aussah, der einen kaltblütigen Raubmord begangen hatte. Aber
ein bisschen Druck, dachte er, konnte beim Verhör nicht
schaden.
«Ich
glaube», sagte Tron, «Sie sind uns eine Erklärung
schuldig, Signor Knarz.»
«Ich habe Mr.
Marchmain nicht getötet», sagte Knarz mit tonloser
Stimme. Er rieb an einem unsichtbaren Fleck auf dem linken
Ärmel seines Gehrocks.
Tron lächelte
kalt. «Sie haben die Uhr also in Ihrer Post gefunden, Signor
Knarz? Eine Breguet mit dem eingravierten Namen
Marchmains?»
«Ich habe ihn
nicht getötet», wiederholte Knarz. «Mr. Marchmain
war bereits
tot.»
«Was genau ist
passiert? Sie hatten mir am Sonnabend gesagt, eine Ihrer
Serviererinnen hätte den Toten gefunden. Offenbar hatten Sie
uns belogen.»
Signor Knarz
beschränkte sich darauf, stumm mit den Schultern zu
zucken.
«Was ist also
passiert, Signor Knarz?»
«Ich selber habe
ihn gefunden», antwortete der. «Als ich etwas aus dem
Vorratsraum holen wollte. Ich habe ihn nicht sofort gesehen,
sondern erst, als ich praktisch neben ihm stand.»
«Er lag also vor
Ihren Füßen auf dem Boden?»
Signor Knarz nickte.
«Ich habe mich sofort gebückt, um festzustellen, was mit
dem Mann los war. Und es war nicht schwer zu
erkennen.»
«Was?»
«Dass er tot
war», sagte Knarz. «Er hat an die Decke gestarrt. Mit
dem linken oder mit dem rechten Auge - ich weiß es nicht
mehr. Das andere Auge war jedenfalls verschwunden. Da klaffte nur
noch ein blutiges Loch.»
«Warum haben Sie
nicht sofort die Polizei gerufen?»
«Das wollte ich
ja. Aber ...» Wieder fing Signor Knarz an, einen
imaginären Fleck auf seinem Ärmel zu
bearbeiten.
«Aber?»
«Ich habe etwas auf Mr. Marchmains Weste blitzen
sehen», sagte er schließlich. «Eine goldene
Kette. Als ich daran zog, kam diese Uhr zum Vorschein. Sie sah sehr
wertvoll aus, und ich habe sie, ohne nachzudenken, an mich
genommen.»
«Und was ist
dann passiert?»
Wieder rieb Signor
Knarz an seinem linken Ärmel. Dann sagte er: «Als ich
mich wieder aufgerichtet hatte, sah ich ihn.»
«Wen?»
«Einen Mann, der
vor dem Regal stand. Er hatte den Zeigefinger auf den Mund gelegt.
In der anderen Hand hielt er eine Waffe.»
«Er hat Ihnen
bedeutet zu schweigen?»
Signor Knarz nickte.
«So habe ich ihn verstanden.»
«Und
dann?»
«Ist er
seitwärts zur Tür gegangen. Dabei war der Lauf der Waffe
auf mich gerichtet.»
«Und gesagt hat
der Mann nichts?»
Knarz schüttelte
den Kopf. «Kein einziges Wort.»
«Können Sie
diesen Mann beschreiben, Signor Knarz?»
«Die
Petroleumlampe hat praktisch nur den
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