Die letzte Minute: Thriller (German Edition)
sagte sie. » Ich hab’s in der Zeitung gelesen.«
» Ja.«
» Wann ist dir das passiert?«
» Das hat damit nichts zu tun. Er war schon tot, als ich hinkam.«
» Davon hab ich nichts gelesen«, erwiderte sie etwas lauter. » Warum nicht?«
» Weil sie’s halt nicht geschrieben haben.«
» Warum nicht?«, hakte sie nach.
» Wahrscheinlich wollte mich die Polizei schützen.«
» Und jetzt nicht mehr.«
» Nein, jetzt nicht mehr.« Er wog seine Möglichkeiten ab. Viele hatte er nicht. » Ich hab heute Abend einen Mann umgebracht, Ricki.«
Sie lachte. Plötzlich verstummte sie und sah ihn an.
Er erschauderte und bemühte sich, es nicht zu zeigen. » Hast du vielleicht Tee da?«, fragte er.
» Ja, aber ohne Koffein. Du brauchst nichts Anregendes mehr. Du wirst heute Nacht auch so nicht schlafen können.« Sie stand auf, erhitzte zwei Tassen mit Wasser in der Mikrowelle und hängte einen Beutel koffeinfreien Frühstückstee in jede Tasse. Er betrachtete den heißen Tee und schwieg, um ihr Zeit zu geben, sein Geständnis zu verarbeiten. Sie holte eine Flasche Weinbrand aus einem Schrank, sah ihn fragend an, und er nickte. Ricki gab einen Schuss in beide Tassen.
Er dachte, sie würde überhaupt nichts mehr sagen. Zur Polizei würde sie sicher nicht gehen, niemals. Doch er musste ihr Mitgefühl gewinnen, damit sie ihm auch weiterhin half. Sie ist ins Krankenhaus gekommen, um nach dir zu sehen, sagte er sich. Bestimmt will sie dir helfen. Zumindest bis sie merkt, wie gefährlich es ist.
» Der Mann wurde ins Krankenhaus geschickt, um mich umzubringen. Ich muss für eine Weile verschwinden. Vor den Bullen habe ich nicht unbedingt Angst, aber sie können mich nicht schützen, und ins Gefängnis geh ich nicht. Leute wie du und ich dürfen dort sicher keinen Computer haben.«
Sie schlang die Arme um sich, als würde sie angesichts dieser düsteren Perspektive frösteln. Er sah, dass sie bereits nachdachte, was sie tun konnte. Sie ließ sich nicht so leicht schocken.
» Hilfst du mir?«, fragte er schließlich.
» Wer will dich umbringen?«
» Nic hat mich da reingezogen. Er hat für eine Gruppe gearbeitet, die sich Novem Soles nennt. Oder Neun Sonnen.«
Sie schüttelte den Kopf. » Was soll das sein? Katholische Computerhacker?«
» Ähm, nein. Sie haben Angst, ich könnte mehr wissen, als ich sollte. Ich bin für die ein Sicherheitsrisiko.«
» Weißt du denn etwas, das ihnen wehtun würde?«
» Nein«, antwortete er, und das war nicht einmal gelogen. Das Notizbuch– Nics » Atombombe«, wie er es selbst beschrieben hatte– brauchte er gegenüber Ricki nicht zu erwähnen. Je weniger sie wusste, umso sicherer war sie.
» Und jetzt? Willst du für den Rest deines Lebens weglaufen? Dieser Typ, den du umgebracht hast, das war doch Notwehr, oder?« Ihre Stimme hob sich etwas. » Du könntest dein Studium nicht abschließen.«
» Das war sowieso langweilig. Du und ich, wir sind nicht geschaffen für einen normalen Bürojob.«
Sie sah ihn mit einem schüchternen Lächeln an und schlürfte ihren Tee. » Du musst also verschwinden, und ich besorg dir, was du brauchst.«
» Wenn das ginge. Ich zahle natürlich dafür.«
» Was brauchst du?«
» Einen Laptop. Ich muss mein Geld auf ein neues Konto transferieren. Und Papiere, damit ich unter einem anderen Namen ausreisen kann. Ich kenne jemanden, der mich vielleicht vor diesen Leuten versteckt, aber ich muss ihn so kontaktieren, dass er mich nicht findet. Ich will ihn zu meinen Bedingungen treffen.«
» Einen Laptop kann ich dir geben, ein MacBook Pro, allerdings ein Jahr alt. Ich habe das neueste Betriebssystem drauf und ein Anonymisierungsprogramm, mit dem du nicht so leicht aufzuspüren bist. Genügt das?«
» Ja, danke.« Für einen Hacker war ein Laptop wie ein Rennpferd: je schneller und stärker, umso besser. Einen ein Jahr alten Computer betrachtete Jack als Antiquität. Er hatte es sich angewöhnt, alle sechs Monate ein neues System zu kaufen. Aber es musste auch damit gehen.
Ricki tippte sich an die Lippe. » Ein Pass und Kreditkarten? Ich kenne da einen Typen in Brüssel, der Wunder vollbringt, wenn der Preis stimmt. Er kann dir in drei Tagen einen Pass zaubern, plus ein Tag, um ihn zu schicken.«
» Okay.«
» Dein Geld– also, da gibt’s einen Typen in Russland. Er macht eine Menge Transaktionen für mich. Aber ich kann nichts versprechen. Wie wär’s, wenn du einfach alles bar abhebst?«
» Das ginge schon, aber ich hätte es lieber auf
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