Die letzte Mission
löste bei Wakefield ein lautes, ironisches Lachen aus, das so gar nicht zu seinem Aussehen als Märchenonkel passen wollte. »Soll ich Ihnen sagen, warum ich Sie für diesen Fall ausgesucht habe? Weil Sie Humor haben und über den Tellerrand sehen können. Ich behaupte jetzt einfach mal, dass Sie die Erste sind, die Jack the Ripper als jemanden mit Initiative beschreibt.« Er legte ihr väterlich die Hand auf die Schulter. »Ich hätte die besten Leute für diese Sonderkommission haben können. Stattdessen habe ich mich für Sie entschieden.«
»Sie sind lustig, John.« Sie tippte sich auf die Brust. »Im Ernst. Hier drin, wo es am meisten zählt, lache ich gerade.«
»Detective Manning?«
Die beiden drehten sich um und sahen einen Polizeibeamten in Uniform im Laufschritt auf sie zueilen.
»Der Captain ist gerade eingetroffen. Er möchte mit Ihnen sprechen.«
Wakefield blinzelte ihr zu. »Hoffentlich hat er nicht gehört, was Sie über seine Frau gesagt haben.«
Als Karen zwischen den Bäumen hervortrat, sah sie Captain Pickering, der an einem Streifenwagen lehnte und ungerührt das Chaos um sich herum musterte. Sie ging langsamer und bemühte sich nach Kräften, die respektvolle, gehorsame Untergebene zu spielen, wie er es erwartete. Allerdings war es dafür schon etwas zu spät – der Captain konnte sie nicht ausstehen und hätte seine Meinung über sie selbst dann nicht geändert, wenn sie sich ein Bein für ihn ausgerissen hätte.
Als sie zur Leiterin des SWAT-Teams für ihren Bezirk ernannt worden war, hatte Pickering, der früher selbst einmal ein SWAT-Team geführt hatte, dies als Affront und Schmälerung seiner Verdienste aufgefasst. Und er war beileibe nicht der Einzige gewesen. In ganz Virginia hatte man sich den Mund über die »Quotenfrau« zerrissen, und plötzlich waren so viele Blondinenwitze im Umlauf gewesen, dass sie allen Ernstes überlegte, ihre Haare braun zu färben. Schließlich kam es so weit, dass er und sein Männerklub keine Gelegenheit ausließen, um ihr die Arbeit so schwer wie möglich zu machen.
Da der Widerstand stärker war, als sie sich hatte vorstellen können, beschloss sie nach ein paar Monaten zu kündigen. Doch vorher setzte sie sich mit Stift und Papier an ihren Küchentisch, schrieb ihre Qualifikationen auf und verglich sie mit denen der Männer, gegen die sie sich bei der Bewerbung um die Stelle durchgesetzt hatte. Nach einer Weile hatte sie schwarz auf weiß, dass sie mit Ausnahme eines Beamten erheblich qualifizierter war als alle anderen. Und selbst im Vergleich zu dem Mann, dessen Leistungen sich mit den ihren vergleichen ließen, hatte sie in den meisten Bereichen noch einen kleinen Vorsprung. Als sie schließlich den Stift fallen ließ und aufstand, war sie fest davon überzeugt, dass sie die Beförderung verdient hatte. So einfach würde sie sich nicht unterkriegen lassen!
»Sie wollten mich sprechen?«
Er antwortete nicht, sondern griff durch das offene Fenster in seinen Wagen, holte eine Akte heraus und drückte sie Karen in die Hand. Sie blätterte die Seiten um und las hin und wieder einige Stellen, die ihr interessant erschienen.
»Ja, Sir?«
»Ich brauche Ihr Team, um den Mann zu verhaften. Heute Abend.«
»Wie lautet die Anklage?«
Seine Mundwinkel zogen sich zusammen. Wenn er nicht aufpasste, würde er die Falten bekommen, die ihre Mutter so fürchtete.
»Wir haben einen Hinweis bekommen, dass er als eine Art dilettantischer Handlanger für die kolumbianischen Drogenkartelle gearbeitet hat. Außerdem soll er die Ramirez-Brüder erledigt haben.«
Sie nickte und widerstand dem Drang, auf ihrer Unterlippe herumzukauen, während sie weiterblätterte. Die Ramirez-Brüder waren zwei Drogendealer, die man letzten Monat mit hübschen kleinen Löchern im Schädel gefunden hatte. In der Akte wurden sie allerdings mit keinem Wort erwähnt, und nichts deutete darauf hin, dass jemand den Mann, den sie verhaften sollte, als »dilettantisch« beschreiben würde. Sie musterte die Kopie eines Zeitungsfotos, auf dem ein windschiefes Haus abgebildet war. »Er wohnt nicht gerade in einem Palast. Ich frage mich, was er mit dem vielen Geld macht, das er verdient.«
»Wenn Sie zu der Adresse fahren und ihn festnehmen würden, anstatt hier herumzustehen, könnten wir es herausfinden.«
Karen brachte es fertig, seinen Sarkasmus mit einem Lächeln zu ignorieren. Langsam gewöhnte sie sich sogar daran. »Haben wir den Mann beobachten lassen? Wissen wir etwas über
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