Die letzte Mission
seine Gewohnheiten oder …«
»Haben Sie etwas dergleichen in der Akte gesehen?«
»Nein.«
»Dann können Sie wohl davon ausgehen, dass wir das nicht getan haben. Karen, das hier ist doch keine große Sache. Wir gehen davon aus, dass der Kerl bewaffnet ist, und daher wollen wir keinen Streifenwagen schicken. Fahren Sie mit Ihrem Team hin, und nehmen Sie den Kerl fest.«
»Sir, wir haben es hier mit einem ehemaligen SEAL der Navy zu tun, und Sie haben mir gerade gesagt, dass er für ein Drogenkartell arbeitet. Sollen wir ihn wirklich auf diese Weise verhaften? Wäre es nicht besser, wenn wir warten, bis er in die Stadt fährt, und ihn dann wegen irgendeines Verkehrsdelikts anhalten? Etwas Unauffälliges, bei dem wir von Anfang den Überblick über die Situation haben.«
Pickering sah sie über seine Sonnenbrille hinweg an. »Es ist schon eine ganze Weile her, dass er beim Militär war. Jetzt ist er Möbelbauer oder so etwas Ähnliches. Sein Haus liegt ein ganzes Stück von den nächsten Zivilisten entfernt, und ich habe nicht vor, ihn auf einer belebten Straße festnehmen zu lassen, wenn es keinen zwingenden Grund dafür gibt. Wenn der Einsatz Sie überfordert, muss ich mir eben jemanden suchen, der damit kein Problem hat.«
Wieder ein gezwungenes Lächeln. »In Ordnung, Sir. Ich mache es.«
SIEBEN
Fade hatte einmal ein Buch von einem Mann gelesen, der seine Träume kontrollieren konnte. Und so, wie sich dieser Schriftsteller in einen hypnotischen, an Bewusstlosigkeit grenzenden Zustand versetzte, versetzte er sich in eine andere Welt. Es war ein Trick, an dem Fade schon seit Jahren arbeitete. Er hatte sich seine eigene Welt geschaffen: eine wohltuend banale Welt, in der er ein gesunder Vater und Ehemann mit regelmäßigen Arbeitszeiten, ein paar wilden Kindern und einem Wagen mit einem deprimierend niedrigen Benzinverbrauch war. Aber es war ihm nie gelungen, in dieser Welt zu leben. Dazu hätte er tief und fest schlafen müssen, was er seit Jahren schon nicht mehr getan hatte. Alles, was er erreichen konnte, war eine tiefe Benommenheit, die die über ihm lauernde Zimmerdecke und die endlose Prozession der Zahlen auf seinem Wecker nie völlig verschwinden ließ.
Heute war es noch schlimmer als sonst. Er rieb sich die müden, brennenden Augen und gab es auf, nach Schlaf zu suchen. An die nackte Wand hinter seiner Matratze gelehnt, fluchte er leise vor sich hin, weil er vergessen hatte, Zigaretten zu kaufen. Eigentlich rauchte er ja gar nicht, aber er hatte sich fest vorgenommen, damit anzufangen.
Zuerst schien das Geräusch nicht viel zu bedeuten – ein leises Knirschen, das gerade noch so durch die schweren Vorhänge vor dem offenen Fenster drang. Fade hörte auf zu atmen, drehte den Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch kam, und lauschte angestrengt. Ein Waschbär? Nein. Das Geräusch war zwar leise gewesen, musste aber von etwas mit mehr Gewicht ausgelöst worden sein. Wieder einmal ein Schwarzbär, der versuchte, die Mülltonne auszuräumen? Vielleicht. Vielleicht war es aber auch Hillel Strand, der gekommen war, um ihm ein Angebot zu machen, das er nicht ablehnen konnte.
Fade stellte sich vor, wie er eine Schrotflinte Kaliber 12 vor Strands glatt rasiertes Gesicht hielt und ihm das selbstgefällige Grinsen wegschoss. Es war natürlich höchst unwahrscheinlich, dass Strand noch einmal hier auftauchte. Er hatte sicher ein Team aus ehemaligen Angehörigen von Spezialeinheiten geschickt, die Fade umstimmen sollten.
Doch das würde er nicht zulassen. Er wollte so viele von Strands Männern wie möglich mit sich in den Tod nehmen, bevor ihn eine Kugel erwischte. Das gewalttätige, sinnlose Ende eines gewalttätigen, sinnlosen Lebens.
Das Geräusch kam nicht wieder. Fade schloss die Augen und stellte sich erneut vor, wie er Hillel Strand den Lauf seiner Flinte vor die Nase hielt. Vielleicht war es ja leichter für ihn, sich in diese Traumwelt zu versetzen. Schließlich orientierte sie sich etwas mehr an der Realität.
Kaum hatte er sich wieder hingelegt, hörte er ein zweites leises Knirschen, dieses Mal so nah, dass er Details erkennen konnte. Lautstärke und Dauer bestätigten seinen Verdacht, dass der Verursacher des Geräuschs ziemlich schwer war. Eine dick gepolsterte Bärenpfote konnte es jedoch nicht sein, dazu war das Geräusch zu klar. Aus langjähriger Erfahrung wusste er, dass als Ursache eines solchen Geräusches nur eines in Frage kam: ein Stiefel.
Er blieb reglos auf dem Bett liegen.
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