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Die letzte Mission

Die letzte Mission

Titel: Die letzte Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kyle Mills
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im Alleingang ausgeschaltet.
    Elise war nirgends zu sehen, als er durch die Küche ging. Vermutlich war sie mit dem ständig länger werdenden Ritual beschäftigt, mit dem Kali ins Bett gebracht wurde. Er blieb im Flur stehen und überlegte, ob er ihr helfen sollte, doch aus irgendeinem Grund fühlte er sich plötzlich wie ein Außenseiter – als würde er nicht mehr zu seiner Frau und seiner Tochter gehören. Es lag nicht nur an den Lügen, es lag auch daran, dass er es hätte verhindern müssen, in eine solche Situation zu geraten. Er hatte nicht mehr das Recht dazu.
    Egan schloss die Tür hinter sich und setzte sich an seinen Schreibtisch, nachdem er den Koffer auf der Tischplatte abgestellt hatte. Er brauchte fast eine Minute, bis er im Halbdunkel sein volles Schlüsselbund durchgegangen war und den Schlüssel gefunden hatte, der zu der unteren Schublade auf der rechten Seite gehörte. Falls Elise aufgefallen war, dass die Schublade stets abgeschlossen war – er konnte sich nicht vorstellen, dass es ihr entgangen war –, hatte sie es nie erwähnt. Vermutlich wollte sie gar nicht wissen, was er darin aufbewahrte.
    Die Pistole, die er aus der Schublade nahm, wirkte geradezu lächerlich im Vergleich zu dem Arsenal, dass Fade sich angeschafft haben musste. Eigentlich war sie eher ein Erinnerungsstück als eine Waffe. Sie war das Einzige aus seiner Zeit beim Militär, das nicht auf den Dachboden verbannt worden war. Sein Arbeitszimmer hatte sich zu einer Art Schrein entwickelt, in der nicht seinen, sondern den Erfolgen seiner Frau gehuldigt wurde: gerahmte CDs, Konzertposter, Zeitschriftenartikel, Kritiken. Natürlich hatte sie protestiert, aber die Wahrheit war, dass er nicht gern an seine Vergangenheit erinnert wurde. Die Army hatte zwar eine Menge für ihn getan, aber er müsste lügen, wenn er sagte, dass er gern an diese Zeit zurückdachte.
    Die Egans stammten aus der armen weißen Bevölkerungsschicht. Es war Tradition in der Familie, gerade so den Highschool-Abschluss zu schaffen, sich als Navysoldat anwerben zu lassen, dann einige Jahre von der Militärpolizei schikaniert zu werden und sich schließlich einen Job als Mechaniker oder Fabrikarbeiter zu suchen. Jeden Mittwochabend Bowling, jeden zweiten Samstag eine ordentliche Kneipenschlägerei. Einmal im Monat wurde die Frau verprügelt.
    Ziemlich lange hatte er sich einreden können, dass auch er diesen Weg gehen würde. Er hatte den Unterricht geschwänzt, nur um sich dann davonzuschleichen und sich in seine Bücher zu vergraben, während sein Vater dachte, er wäre auf dem Sportplatz. Obwohl er sich alle Mühe gab, ein schlechter Schüler zu sein, machte er seinen Highschool-Abschluss mit einem guten Notendurchschnitt. Das hielten natürlich alle – er eingeschlossen – für einen glücklichen Zufall, und er wäre nie auf die Idee gekommen, dass man das Leben auch anders leben konnte, als seine Verwandten es taten.
    Trotz dieser Einfallslosigkeit hatte er dann doch noch einen Anflug selbstständigen Denkens bewiesen, als er nach der Highschool nicht zur Navy, sondern zur Army gegangen war. Eigentlich hatte er zur Air Force gewollt, bei der es noch ruhiger zuging, doch dies hätte einen Familienskandal ausgelöst, den er wohl nicht durchgestanden hätte.
    Bei der Grundausbildung hatte es etwa dreißig Sekunden gedauert, bis ihm klar geworden war, dass er die Restriktionen und die starre Hierarchie beim Militär hasste. Und nach einigen Monaten war er so weit gewesen, dass er sich um ein Haar erschossen hätte. Doch dann hatte er eines Abends seinen Kummer in einer Bar am Truppenstandort ertränkt und war dabei mit einem Angehörigen der Green Berets in Gespräch gekommen. Dieser hatte ein recht ansprechendes Bild von den Special Forces gezeichnet – nachrichtendienstliche Einsätze, intellektuelle Förderung und vor allem die Tatsache, dass man dort den Freiraum bekam, von dem andere Soldaten nur träumen konnten.
    Das harte Ausbildungsprogramm hatte Egan nur durch reine Willenskraft geschafft. Danach war alles besser geworden – sein Erfolg hatte die Kluft zwischen seinem Vater und ihm so weit geschlossen, wie das möglich war, und die Weiterbildungsmöglichkeiten waren unglaublich. Bald war klar, dass er nie der Stärkste oder Schnellste in einem Team sein würde, aber dafür hatte er eine echte Begabung für andere Kulturen, Fremdsprachen und Analyse gezeigt.
    Alles lief hervorragend, bis die Army plötzlich der Meinung war, er müsse jetzt etwas

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