Die letzte Mission
Trotzdem würde er auf keinen Fall zugeben, dass seine heiß geliebten Elitekrieger zu Kanonenfutter mutiert waren, als sie es mit einem fähigen Gegner zu tun bekommen hatten.
»Diese Männer waren die Besten!«, schrie er beinahe. »Und sie haben ihr Leben in Erfüllung ihrer Pflicht gelassen. Ich werde nicht zulassen, dass man ihren Mut und ihren beispiellosen Einsatz in Frage stellt.« Damit hatte er zwar die Frage nicht beantwortet, aber er hatte seinen Standpunkt so vehement vertreten, dass keine Nachfragen mehr kamen.
»Captain, eine etwas längere Frage, wenn Sie gestatten«, war die Stimme einer Frau zu hören. »Sie haben gesagt, dass Karen Manning bis zum Abschluss der Ermittlungen beurlaubt sei. Ist das in einer solchen Situation üblich? Und zweitens, gibt es aufgrund der vorläufigen Ermittlungsergebnisse Hinweise darauf, dass Manning bei der versuchten Festnahme des Verdächtigen nicht nach Vorschrift vorgegangen ist?«
Karen beschwor die Kamera, auf die Reporterin zu schwenken, die die Frage gestellt hatte. Es zahlte sich aus, Pressevertreter im Auge zu behalten, die keine Fackeln und Mistgabeln mit sich herumschleppten.
»Wir ermitteln erst seit einigen Stunden. Zurzeit liegen mir noch keine Angaben dazu vor, was passiert ist und was nicht, und selbst wenn ich es wüsste, könnte ich Ihnen hierzu nichts sagen. Nächste Frage …«
»Und der erste Teil meiner Frage? Die Beurlaubung?«
»Mach ihn fertig«, murmelte Karen.
»Ja …«, musste Pickering einräumen. »Ja, das ist so üblich.«
Karen schaltete den Fernseher aus und ließ sich wieder auf das Sofa fallen, das sie heute noch kein einziges Mal verlassen hatte. Das war nicht gesund. Sie sollte den Fernseher ausgeschaltet lassen und laufen gehen. Oder das Geschirr spülen, das sich in der Küche stapelte. Oder …
Stattdessen schaltete sie wieder den Fernseher ein und zappte durch die Kanäle.
Warum sie das tat, wusste sie nicht. Inzwischen schien fast sicher zu sein, dass ihre Version der Geschichte nie erzählt werden würde. Pickering hatte sie trotz ihrer Proteste auf al Fayed angesetzt, was sich zu einer Katastrophe entwickelt hatte. Jetzt sagte er so wenig wie möglich und ließ den Rest von anonymen Quellen und trauernden Witwen erledigen.
Als das Telefon klingelte, drehte sie sich um und sah zu dem Apparat hin. Bis jetzt hatten fünf Reporter angerufen, aber ihr Vorgesetzter hatte ihr sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass sie bis zum Abschluss der Ermittlungen nicht mit der Presse sprechen durfte. Obwohl sie letzten Endes vielleicht gezwungen war, sich dieser Anordnung zu widersetzen, war es noch nicht an der Zeit, diesen Krieg zu beginnen.
Als sich der Anrufbeantworter einschaltete, hörte sie die Stimme von John Wakefield.
»Karen, stehen Sie auf, und gehen Sie ans Telefon.«
Sie griff nach dem Hörer. »Hallo, John.«
»Wie sieht es aus?«
»Haben Sie die Nachrichten gesehen?«
Er gab keine Antwort.
»Dann wissen Sie, wie es aussieht.«
»Ich hatte ein paar Anrufe von Reportern, die ich abgewimmelt habe. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.«
Karen zog sich ein Kissen über den Kopf und starrte in die Dunkelheit. Nicht auch noch er. Wenn sich jetzt auch noch Wakefield von ihr abwandte, war das zu viel für sie.
»Karen? Sind Sie noch dran?«
»John, ich …« Sie hörte, wie ihre Stimme brach, und drückte das Kissen noch fester auf ihr Gesicht, um die Tränen wegzuwischen. »Ich weiß, dass ich dafür verantwortlich bin. Aber ist es wirklich meine Schuld gewesen? Sagen Sie mir die Wahrheit.«
»Das habe ich nicht gemeint, Karen. Wenn ich nicht hundertprozentig an Sie glauben würde, wäre ich nicht durchs Feuer gegangen, um Sie für den Sammler zu bekommen. Ich rufe die Reporter gern zurück, aber zuerst wollte ich mit Ihnen sprechen.«
Karen ließ das Kissen auf den Boden fallen und kam wieder ans Licht. »Danke, John. Das bedeutet mir sehr viel.«
»Und? Soll ich mich einmischen?«
»Danke, aber jetzt noch nicht. Ich werde erst einmal eine Weile abwarten und sehen, was passiert.«
»Sie wissen, dass Pickering alles tun wird, um seinen Hintern zu retten.«
»Ja. Was ist mit dem Sammler?«
»Wir haben die Briefe bekommen. Er hat sein nächstes Opfer.«
Karen hielt den Atem an. »Stephany Narwal?«
»Ja.«
Narwal galt seit vier Tagen als vermisst – eine schöne junge Frau, die genau in das Opferprofil passte.
»Ich wünschte, Sie wären da, um mir bei der Befragung ihrer Familie zu helfen. Ich
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