Die letzte Mission
und die Kamera schmeichelte ihr genauso wie sie der Kamera. Karen Manning griff nach der Fernbedienung und legte den Daumen auf den Ausschaltknopf, doch dann brachte sie es doch nicht über sich, den Fernseher abzustellen.
»Mit so etwas darf man doch keine politischen Spielchen treiben«, fuhr Brandy mit ernstem Gesicht fort. »Schließlich geht es hier um Menschenleben.«
Ihr Mann, Hal, war einer der von al Fayed getöteten Polizisten, und Brandy schien großen Trost darin zu finden, Karen in jedem Fernsehsender der westlichen Hemisphäre mit Kritik zu überschütten. Die Ironie war, dass Hal ein netter Kerl gewesen war. Verständlicherweise hatte auch er sich nicht aus dem Fenster lehnen wollen, um seine Teamleiterin zu verteidigen, aber er war immer fair gewesen. Noch ironischer war, dass Karen den Verdacht hatte, dass es gar nicht Hals Tod war, der Brandy so wütend auf sie machte. Sie hatten sich fünf- oder sechsmal auf Partys getroffen, und irgendwann war klar gewesen, dass Brandy zu den Frauen gehörte, die Karen und ihresgleichen als Gefahr für das verwöhnte Leben ansahen, das jemand mit ihren körperlichen Vorzügen verdient hatte. Sämtliche Versuche Karens, so etwas wie ein freundschaftliches Verhältnis zu Brandy aufzubauen, wurden schon im Keim erstickt. Wovor hatte sie eigentlich Angst? Für perfekt frisierte Dummerchen gab es in dieser Welt immer einen Platz.
»Keiner der Männer hielt sie für qualifiziert – sie haben immer gesagt, dass sie ihretwegen noch mal getötet werden …«
Karen verzog das Gesicht und fragte sich, ob die gute Brandy mit funkgesteuerten Bomben in den verdammten Bäumen gerechnet hatte. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass Hal diese Möglichkeit bei der Lagebesprechung vor dem Einsatz erwähnt hatte. Damit hatte niemand gerechnet.
Sie ließ sich auf das Sofa fallen, starrte den Bildschirm an und sagte sich, dass es weder Brandys noch Hals Aufgabe gewesen war, so etwas vorauszusehen. Dafür war sie zuständig gewesen.
Die Kamera schwenkte von Brandy zum Moderator, der zu einem inzwischen vertrauten Monolog ansetzte, in dem es um mögliche Unregelmäßigkeiten bei ihrer Beförderung und ihre möglichen Fehlleistungen ging. Beispiele für seine Behauptungen vermied er allerdings sorgsam.
Er erwähnte natürlich nicht, dass sie das schnellste Mitglied des Teams war – sie konnte den Zweitbesten beim Wettlauf überholen, ohne dabei ins Schwitzen zu geraten. Und selbstverständlich wurde kein Wort darüber verloren, dass sie die beste akademische Ausbildung von allen hatte – einen hervorragenden Uniabschluss und dazu noch einige Kurse in Kriminologie. Schießen war ihre große Schwäche gewesen, aber sie hatte sich einen Privattrainer genommen und monatelang geübt, bis sie die Drittbeste im Team gewesen war. Ihre Qualifikationen waren alles andere als subjektiv – sie waren geprüft, in ihrer Personalakte erfasst und dann anscheinend vergessen worden.
Der Bildschirm flackerte, dann wurde zu einer Pressekonferenz geschaltet, die bereits die Frage-Antwort-Phase erreicht hatte.
»Welchen Status hat Karen Manning zurzeit?«
Captain Pickering runzelte missbilligend die Stirn. »Bis die Ermittlungen zu diesem Vorfall abgeschlossen sind, ist sie beurlaubt.«
»Gibt es Hinweise darauf, wo al Fayed sich jetzt aufhält?«, fragte ein Reporter, der nicht im Bild zu sehen war.
»Diese Frage kann ich nicht direkt kommentieren, aber ich kann Ihnen sagen, dass wir gute Fortschritte bei den Ermittlungen gemacht haben.« Captain Pickering deutete auf eine erhobene Hand, die am unteren Bildrand zu sehen war.
»Captain, wurden angesichts von Mr al Fayeds militärischer Ausbildung besondere Vorsichtsmaßnahmen für die versuchte Verhaftung getroffen?«
Karen setzte sich auf und legte ihre Füße auf den Couchtisch. »Warum sagst du ihnen denn nicht, dass ich ihn wegen zu schnellen Fahrens verhaften wollte, du Scheißkerl?«
»Dieser Sachverhalt wird noch untersucht. Nächste Frage?«
Der Reporter fasste nach. »Captain, ein einzelner Mann, dessen Militärkarriere schon einige Zeit zurückliegt, hat fast ein komplettes SWAT-Team getötet. Was wirft das für ein Licht auf die Ausbildung, die Ihre Männer erhalten?«
Karen beugte sich vor und fragte sich gespannt, was sich Pickering als Antwort auf diese Frage einfallen lassen würde. Es war schwierig, ihr die Schuld daran zu geben, da sie im Grunde genommen nichts mit den Ausbildungsplänen für die Polizei zu tun hatte.
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