Die letzte Mission
gleich. Es war klar, dass Strand ihn im Auge behalten wollte und am liebsten observiert hätte. Egan hatte zwar nicht verheimlicht, dass er sich in einem Hotel aufhielt, aber er hatte den Namen des Hotels nicht genannt. Irgendwann würde er Farbe bekennen müssen, doch das hatte noch Zeit.
»Danke, aber das schaffe ich schon. Noch etwas?«
Stille.
»Dann war’s das. Ihr könnt mich auf meinem Mobiltelefon erreichen.«
VIERUNDZWANZIG
Karen Manning war noch nie in diesem Teil von Washington gewesen, und den neugierigen Blicken der Passanten nach zu urteilen, hatten es noch nicht viele junge Blondinen in einem Honda bis hierher geschafft. Der Weg in das Viertel im Südosten der Stadt hatte schon auf der Karte recht kompliziert ausgesehen, und die Realität war noch viel schlimmer – ein Labyrinth aus schlecht geteerten, mit Müll überhäuften Straßen, die von alten Häusern und kastenförmigen Apartmenthäusern gesäumt wurden.
Sie blieb an einer Kreuzung ohne Beschilderung stehen, musste raten und bog nach rechts ab. Keine wissenschaftlich anerkannte Navigationsmethode, aber sie funktionierte. Nach etwa drei Kilometern kam sie zu einer Straße, die von Streifenwagen und Passanten blockiert wurde. Karen fuhr im Schritttempo weiter, so langsam, dass Eltern ihre Kinder auf den Gehsteig scheuchen konnten und sie von Zeit zu Zeit eine zotige Bemerkung von lachenden Teenagern hörte.
Als sie bis auf sechs Meter an die gelben Absperrungen der Polizei herangekommen war, hielt sie an. Sie stieg aus und holte ihre Marke aus der Tasche, während sie auf einen jungen Polizisten zuging, der die Menge am Weitergehen hinderte. Die Marke brauchte sie gar nicht. Er winkte sie durch und machte sich gar nicht erst die Mühe, seinen leicht angewiderten Gesichtsausdruck vor ihr zu verbergen. Langsam gewöhnte sie sich an diesen Ausdruck.
Die Spurensuche schien sich auf etwas zu konzentrieren, das irgendwann einmal ein Auto gewesen war. Jetzt waren davon nur noch ein paar Teile übrig, die an einem Chassis ohne Räder hingen. Zwei Spurentechniker nahmen Fingerabdrücke von den noch vorhandenen Teilen der Karosserie, und ein dritter hatte den Kopf unter die Reste des Armaturenbretts gesteckt und suchte anscheinend nach Fasern. Der Rest der Polizeibeamten war ausgeschwärmt, um die Leute auf der Straße zu befragen und an Wohnungstüren zu klopfen.
Sie entdeckte John Wakefield, der an einer der Absperrungen lehnte. Als er sie sah, kam er ihr entgegen.
»Karen! Was machen Sie denn hier?«, rief er.
»Das wollte ich Sie auch gerade fragen. Wenn uns jetzt ein Reporter sieht und denkt, Sie sind an den Ermittlungen beteiligt, steht morgen in der Zeitung, dass wir den Tod unserer Kollegen wichtiger nehmen als die Morde an den Frauen …«
Er zuckte gleichgültig mit den Achseln. »Mir fehlt meine Partnerin, und ich war neugierig. Außerdem stecken wir beim Sammler in einer Sackgasse, bis … Na ja, Sie wissen schon.«
Leider wusste sie, was er meinte. Bis noch eine Frau verschwand und Stephany Narwals Leiche gefunden wurde.
»Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich mich nicht freue, Sie zu sehen. Sie sind vermutlich der Einzige von der Polizei, der noch mit mir reden will.« Sie deutete auf das Stahlskelett, das am Gehsteig geparkt war. »Was haben wir?«
»Bis jetzt nicht gerade viel. Offenbar hat der Wagen schon bessere Zeiten gesehen.«
»Aber er gehört definitiv Fade?«
»Fade?«
»Anscheinend nennt er sich so.«
»Ich habe gehört, dass Sie mit ihm gesprochen haben, aber ich dachte, es sei nur eines der vielen Gerüchte gewesen.«
»Nein, es stimmt, aber ich habe mich wie eine Anfängerin benommen. Ich habe nichts aus ihm herausbekommen, was uns weiterhelfen könnte.«
Er nickte nachdenklich, sah nach unten und klaubte ein unsichtbares Stäubchen von seiner Hose. Es war eine Angewohnheit von ihm, die Karen schon tausendmal gesehen hatte. Trotzdem wusste sie immer noch nicht, was es bedeuten sollte.
»Um Ihre Frage zu beantworten – ja, er gehört definitiv al Fayed. Auf einem der noch vorhandenen Teile haben wir eine Seriennummer gefunden. Es sieht so aus, als hätte er den Wagen gestern am späten Abend hier abgestellt, aber in diesem Viertel sind keine Überwachungskameras installiert, und es hat natürlich auch niemand etwas gesehen.«
Karen wies hinter Wakefield, und sie gingen wieder zu der Absperrung, wo er sich anlehnen und seine von Arthritis geplagten Knie entlasten konnte. »Ich glaube nicht, dass
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