Die letzte Nacht der Unschuld
„Scheint, als würdest du doch nicht nach Hause fliegen.“
„Du brauchst gar nicht so zufrieden zu klingen.“ Sie machte sich nicht mehr die Mühe, Bitterkeit und Verzweiflung zu verstecken. Dazu war sie zu müde.
Er wandte sich zu ihr um. „Ich möchte nicht, dass du wegrennst. Erst müssen wir miteinander reden.“
„Worüber?“ Oh Gott. Zum ersten Mal kam Colleen der Gedanke, dass er vielleicht schon von Alexander wusste. Liebend gern hätte sie sich auf das Bett sinken lassen, doch sie wollte ihm nicht den Vorteil überlassen, auf sie hinunterschauen zu können. So blieb sie stehen, lehnte sich mit der Hüfte an die Kommode und suchte in seinem Gesicht nach irgendwelchen Anhaltspunkten.
Es gab keinen einzigen.
„Über die Nacht, die wir miteinander verbracht haben.“
Sie lachte nervös. „Wozu? Es ist doch klar, dass es diese Nacht nicht auf die Liste der erinnerungswürdigen Nächte geschafft hat. Ich sehe keinen großen Sinn darin, hier ins Detail zu gehen.“ Die Nerven zum Zerreißen gespannt, redete sie zu viel und zu schnell. Verräterische Tränen meldeten sich hinter ihren Lidern. „Schon komisch“, plapperte sie weiter. „Natürlich verstehe ich, dass man keine Blumen und eine Karte zum Geburtstag erwarten kann, wenn man sich mit einem weltbekannten Playboy einlässt, aber irgendwie wäre es schon nett, wenn er einen wenigstens wiedererkennen würde, vor allem, nachdem …“
Sie brach ab, schnappte nach Luft, als sich ein Bild vor ihr geistiges Auge schob – wie die Sonne über dem Meer aufging, ihre beiden nackten Körper in rosiges Licht einhüllte und goldene Strähnen in sein Haar zeichnete, während er ihr mit steinernem Gesicht von seiner Vergangenheit erzählte.
„Nachdem was?“, hakte Cristiano jetzt nach.
Der Mann dort vor ihr sah noch genauso aus – und doch völlig anders. Abrupt stieß Colleen sich von der Kommode ab. „Vergiss es einfach.“ Unwirsch wischte sie die Träne fort, die sich trotz aller Anstrengung aus einem Auge gestohlen hatte. Harsch lachte sie auf, als sie an ihm vorbei zu ihrem Koffer gehen wollte. „Aber das hast du ja schon getan, nicht wahr?“
Cristiano fluchte und fasste nach ihrem Handgelenk, riss sie an seine harte Brust. „Richtig“, presste er mit glitzernden Augen hervor. „Genau das habe ich getan. Ich habe alles vergessen, von dem Zeitpunkt an, da ich mich für die Qualifikation in den Wagen gesetzt habe, bis zu dem Moment, als ich gegen die Barriere geprallt bin. Alles ist weg, nichts als vierundzwanzig Stunden Leere. Und deshalb müssen wir reden. Weil ich wissen will, was in dieser Zeitspanne passiert ist.“
Für einen langen Moment schien die Zeit stehen zu bleiben. Colleens heiseres Flüstern brach schließlich den Bann. „Oh Cristiano, es tut mir so leid.“
Abrupt ließ er sie los und drehte sich wieder zur Balkontür um. Warum, zum Teufel, hatte er das gesagt? Er war hergekommen, um so viel wie möglich von ihr zu erfahren, ganz gleich, was dazu nötig war. Er hatte vorgehabt, sie zu verführen, nicht, vor ihr die Beichte abzulegen. Niemand brauchte etwas davon wissen, und schon gar nicht eine Frau, die er nicht kannte und der er nicht vertraute.
„Davon wusste ich nichts.“
„Nein, mit so etwas geht man auch nicht unbedingt hausieren“, erwiderte er eisig.
„Aber wieso …? Ich meine, du hast einen schrecklichen Unfall gehabt, die Leute wollen doch wissen …“
„Was? Dass ich mich nicht davon erholt habe?“, schnitt er ihr barsch das Wort ab, als könnte das den Drang zügeln, zu ihr zu gehen, ihr Gesicht in die Hände zu nehmen und diesen weichen Mund zu küssen. „Dass ich diese … diese Lücke habe? Weißt du, wie viele Frauen plötzlich behaupten würden, ich hätte die Nacht mit ihnen verbracht? Dass ich der Vater ihres Kindes wäre? Die Klatschpresse hätte Stoff für die nächsten Jahre, und ich könnte mich nicht einmal dagegen wehren, weil ich keine Erinnerung habe.“
„Oh.“ Colleen hob den Kopf, sodass ihr Haar im Licht schimmerte. „Daran habe ich natürlich nicht gedacht. Aber warum sollte jemand so etwas erfinden?“
Cristiano lachte hart auf. „Wie wäre es mit der Aussicht auf fünf Minuten Ruhm und eine Menge Geld? Selbst wenn die Story mit einem Vaterschaftstest demontiert werden kann, ist der Schaden längst angerichtet.“
Sie schlang die Arme um ihren Körper, als wäre ihr kalt. „Nun, von jetzt an brauchst du dir deswegen keine Sorgen zu machen. Du warst mit mir
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