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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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finde es nicht.«
    »Dann lasst uns helfen«, sagte Bruder Edmund. »Schwester Joanna, wollt Ihr uns nicht sagen, was es ist, damit wir Euch helfen können?«
    Sein Bitten bewegte mich. Bruder Richards Worte wühlten mich auf. Aber ich durfte ihnen nichts von der Athelstan-Krone sagen. Ich konnte ein solches Wagnis nicht auf mich nehmen. Es ging nicht nur um meine eigene Sicherheit   – es ging um das Leben meines Vaters. Ich wünschte, ich hätte ihnen das begreiflich machen können.
    Die Stille zwischen uns war quälend. Der Gesang der Vögel war verstummt; nur das Rauschen des Windes in den Bäumen war zu hören. Mir war kalt bis ins Mark.
    Bruder Edmund räusperte sich. »Wir sind schon sehr lange hier draußen. Wir sollten ins Kloster zurückkehren.«
    »Gleich, Bruder, nur noch ein paar Minuten«, sagte Bruder Richard. »Ich bin mit dem Vorsatz hierhergekommen, Bischof Gardiner in seinem Bemühen zur Rettung der Klöster zu helfen. Wir wissen, dass Schwester Joanna von der Liebe zu ihrem Vater und der Angst um sein Leben geleitet wird.«
    Ich sah ihn überrascht an. Ich hatte ihn solchen Verständnisses nicht für fähig gehalten.
    Bruder Richard nickte. »Ja, Schwester Joanna, es bereitet mir Schmerz, dass Ihr im Tower so grausam behandelt worden seid. Diese finsteren Zeiten haben das Schlechteste in Bischof Gardiner hervorgerufen. Diese Entschuldigung ist allerdings schon so alt wie die Geschichte der Menschheit.«
    »Aber ich danke Euch für Eure Worte«, sagte ich.
    Er wandte sich an Bruder Edmund. »Und was ist mit Euch? Warum hat Gardiner Euch gewählt? Wenigstens das muss ich wissen.«
    Bruder Edmund wich ein wenig zurück. »Es waren jedenfalls nicht meine besseren Instinkte, wie bei Euch, an die der Bischof appellierte«, entgegnete er ärgerlich. »Es war eher so ähnlich wie bei Schwester Joanna.«
    »Dann enthüllt es uns jetzt.« Bruder Richards Stimme war ruhig, aber seine Worte klangen wie ein Befehl.
    Bruder Edmund sah plötzlich gequält aus. »Ihr habt vorhin vom Suprematseid gesprochen. Von denen, die sich weigerten, ihn abzulegen, und lieber als Märtyrer starben. Auch ich wollte den Eid nicht leisten, ich wollte mich nicht vom Heiligen Vater lossagen und König Heinrich VIII. den obersten Treueeid leisten, einem Mann, der von der Lust nach der Hofdame seiner Gemahlin besessen war. Aber ich hatte Angst. Ich betete um Mut und Entschlossenheit, aber sie blieben mir versagt. Ich hatte von den Kartäusermönchen gehört. Die Vorstellung, auf die gleiche Weise hingerichtet zu werden, war mir unerträglich. Zuerst aufgehängt und dann noch lebend vom Galgen genommen und aufgeschlitzt zu werden, unter grausamsten körperlichen Qualen zusehen zu müssen, wie mir Organe und Eingeweide entfernt wurden, das war eine zu entsetzliche Vorstellung.«
    Ich schloss die Augen vor den entsetzlichen Bildern. Gehängt, ausgeweidet und gevierteilt zu werden   – ja, das war der grausamste aller Tode.
    »Da habe ich es das erste Mal genommen«, sagte Bruder Edmund so leise, dass ich ihn kaum hörte.
    »Was habt Ihr genommen?«, fragte Bruder Richard.
    »Die rote Blume Indiens.«
    »Nein«, sagte Bruder Richard erschrocken. »Nein, Bruder, nein.«
    Ich hatte keine Ahnung, wovon sie redeten. Wie konnte jemand eine Blume ›nehmen‹?
    Bruder Edmund sagte: »Erinnert Ihr Euch, Schwester Joanna, als ich Lettice Westerly pflegte und ihr etwas gegen die Schmerzen gab? Da habe ich es Euch gesagt.«
    Ich brauchte nicht lange, um mich an diesen unheimlichen Namen zu erinnern. »Die Steine der Unsterblichkeit?«
    Er nickte. »Eine bestimmte rote Blume aus dem Orient übt eine starke Wirkung auf den Geist aus. Viele Apotheker und Ärzte wissen das, aber sie verwenden die Pflanze selten, weil so schwierig abzuwägen ist, welches die richtige Menge für jeden einzelnen Kranken ist. Nur eine Spur zu viel, und sie wirkt tödlich. Ich verabreiche sie nur, wenn gewiss ist, dass der Kranke ohnehin bald sterben wird.«
    »Ihr riskiert also jedes Mal, wenn Ihr sie nehmt, Euer Leben?«, fragte ich fassungslos.
    »Nein, nein, ich nehme sie in einer anderen Form zu mir: als Tinktur nach dem Rezept eines reisenden Mönchs, Bruder Mark, der die Herstellung in Deutschland erlernt hatte. Er sagte, bei vorsichtigem Gebrauch beruhige es die Nerven und lindere die Leiden der Seele.«
    Es fiel ihm sichtlich schwer, darüber zu sprechen.
    »Meine Kleinmütigkeit und Feigheit, als es darum ging, den Suprematseid zu leisten, marterten mich so

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