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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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angenehme Nacht schenken.«
    Ich wartete einen Moment in der Hoffnung, etwas von Bruder Edmund zu hören, aber er schwieg. Hastig lief ich hinaus, ich wollte nicht, dass Schwester Winifred mich weinen sah.
    Am nächsten Tag, nach der Messe, schob ich den Brief, den ich an Bischof Gardiner geschrieben hatte, in den Ärmel meines Mantels und stieg den Hügel hinauf zu den Bäumen. Die Gnadenfrist, die uns der Wärmeeinbruch des vergangenen Tages beschert hatte, war vorbei. Die Luft war klar und frisch; der Boden leicht gefroren. Der Winter war unerbittlich. Und jetzt, da das Laub von den Bäumen gefallen war, lag das Leprahospital noch ungeschützter da als zuvor. Aber nicht so verödet. Irgendwie gewannen die bröckelnden Mauern an diesem frostigen, klaren Morgen eine gewisse Würde.
    Ich nahm den losen Stein heraus und schob mein Schreiben in die Öffnung. Es war das bisher wichtigste. Bischof Gardiner musste von den gezielten Fragen erfahren, die darauf hindeuteten, dass die königlichen Kommissare von der Krone wussten; er musste von derDurchsuchung des Amtszimmers der Priorin und von der für das Frühjahr angekündigten Rückkehr der Kommission erfahren.
    Ich war fast am Torbogen, als ich hinter mir etwas knacken hörte, als wäre jemand auf einen dürren Zweig getreten. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich einen Schatten, der schnell zurücksprang.
    Es war jemand hier in der Ruine.
    Ich blieb ganz ruhig. Ich verriet nicht, dass ich etwas bemerkt hatte, und stieg den Hang hinauf bis zum baumbestandenen Hügelkamm. Ich war sicher, dass sich unten in den Ruinen die Person versteckte, die in Gardiners Auftrag meine Schreiben abholen und nach Frankreich senden musste.
    Und heute würde ich herausfinden, wer es war.
    Ich suchte mir einen Platz hinter einem dicken Baum. Getarnt durch meinen schwarzen Mantel konnte ich von dort aus das Leprahospital beobachten, ohne selbst gesehen zu werden.
    Während ich wartete, wurde ich plötzlich stutzig. Woher wusste der Fremde, der meine Briefe beförderte, dass ich gerade heute einen hinterlegen würde, nicht im vereinbarten Zwei-Wochen-Turnus, sondern außer der Reihe, veranlasst vom gestrigen Besuch der königlichen Kommissare? Das hätte doch nur jemand ahnen können, der über die Vorgänge im Kloster unterrichtet war. Der Kurier konnte also keinesfalls irgendein vom Bischof bezahlter Dorfbewohner sein.
    Unten in den Ruinen bewegte sich etwas. Aufgeregt drückte ich mich an den rauen Stamm. Durch ein klaffendes Fenster sah ich flüchtig einen dunklen Mantel über einem langen weißen Gewand flattern. Das war eine Nonne oder ein Ordensbruder.
    Mir schwirrte der Kopf. Bruder Richard. Er musste es sein. Er stand Bischof Gardiner so nahe; natürlich war ihm gesagt worden, warum man mich nach Dartford zurücksandte. Ich hatte von Anfang an gemerkt, wie er immer wieder auf den Busch geklopft hatte.
    Aber dann erschien der Mann, der meine Botschaften beförderte, im Torbogen des Leprahospitals.
    Es war nicht Bruder Richard. Es war Bruder Edmund, der da mit meinem versiegelten Schreiben in der Hand aus dem Schatten trat.

Kapitel 37
    Als Bruder Edmund die Anhöhe fast erreicht hatte, trat ich hinter dem Baum hervor. Worte des Zorns und der Enttäuschung überschlugen sich in meinem Kopf, aber ich sprach nur eines aus.
    »Heuchler«, sagte ich.
    Bruder Edmund schützte sein Gesicht mit den Armen, als hätte ich ihn geschlagen. Er taumelte den Hang hinunter und wäre beinahe gestürzt. Als er sich wieder aufrichtete und den Arm senkte, war sein Gesicht schamrot.
    »Was wisst Ihr, Bruder?«, schrie ich ihn an.
    »Nichts«, stieß er hervor. »Ich erbreche die Siegel nicht. Bischof Gardiner hat mich nur angewiesen, Eure Schreiben aus dem Versteck zu holen und sie auf schnellstem Weg nach Paris befördern zu lassen. Als Apothecarius erhalte und versende ich dauernd Pakete und Päckchen; niemand findet etwas dabei.«
    »Und Ihr habt keine Ahnung, warum ich hierhergeschickt worden bin?«, fragte ich ungläubig.
    »Nein«, antwortete er. »Der Bischof sagte, ich solle nicht fragen, das Wissen sei gefährlich. Ich bin nur ein Verbindungsmann.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Aber warum lasst Ihr Euch von Bischof Gardiner so benützen?«
    Bruder Edmunds Unterlippe zitterte. »Das kann ich Euch nicht sagen.«
    Ich war außer mir. »Ihr könnt es mir nicht sagen?«, schrie ich wütend. »Aber vielleicht wollt Ihr wissen, warum
ich
mich benützen lasse? Warum ich die Schwestern in Dartford bespitzele?

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